OLG Jena 2 W 242/24
Geschäftsführung und Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren

20.08.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Jena
09.08.2024
2 W 242/24
NZI 2025, 461

Leitsatz | OLG Jena 2 W 242/24

  1. Auch nach Insolvenzeröffnung obliegt den Geschäftsführern der GmbH die Handelsregisteranmeldung von Veränderungen der Geschäftsleitung sowie von Satzungsänderungen, die eine vereinfachte Kapitalherabsetzung zum Gegenstand haben.
  2. Wird eine GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft aufgelöst, kann sie nur in den in § 60 I Nr. 4 GmbHG genannten Fällen fortgesetzt werden (Anschluss BGH, NZI 2015, 775).
  3. Der Beschluss über die Fortsetzung der Gesellschaft kann nach § 225a III InsO Gegenstand des Insolvenzplans sein, sodass es keines Gesellschafterbeschlusses mehr bedarf (Anschluss BGH, NZI 2020, 635).
  4. Ein Insolvenzplan sieht den Fortbestand der Gesellschaft bereits dann vor, wenn er die Fortführung der Gesellschaft als eine Möglichkeit darstellt, die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Ermessen der Gesellschafter steht (Anschluss BGH, NZI 2020, 635).
  5. Die Frist des § 58a IV 2 GmbHG ist auf insolvenzplangestützte Maßnahmen nicht anzuwenden. (Leitsätze der Redaktion)
     

Sachverhalt | OLG Jena 2 W 242/24

Zu den einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Gesellschaft waren G und D bestellt. Am 15.02.2023 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, und Rechtsanwalt Dr. K wurde zum Insolvenzverwalter bestimmt. Am 13.07.2023 legte er dem Insolvenzgericht einen Insolvenzplan vor, der am 30.08.2023 einstimmig angenommen und bestätigt wurde. Das Insolvenzverfahren wurde am 28.03.2024 aufgehoben.

Anschließend meldete G für die Gesellschaft unter anderem deren Fortführung, die Abberufung von D, eine vereinfachte Kapitalherabsetzung sowie eine Kapitalerhöhung zur Eintragung beim Registergericht an. Dieses beanstandete jedoch, dass die Kapitalmaßnahmen nicht fristgerecht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 58a Abs. 4 GmbHG ins Handelsregister eingetragen wurden und deshalb nichtig seien. Zudem fehlten Unterlagen zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens und zur Anteilsübertragung.

Am 11.04.2024 folgte eine ergänzende Anmeldung mit der Abberufung der Liquidatoren und der Bestellung eines neuen Geschäftsführers. Weitere Unterlagen, darunter die Liste der Anteilserwerber und der gerichtliche Aufhebungsbeschluss, wurden nachgereicht. Trotzdem wies das Registergericht die Anmeldung am 29.04.2024 zurück. Es begründete dies damit, dass die Kapitalmaßnahmen wegen Fristversäumnis nichtig seien und die Geschäftsführerbestellung im Insolvenzplan nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Auch fehle der Nachweis der gerichtlichen Beschlüsse mit Rechtskraftvermerk.

Die Antragstellerin legte am 13.05.2024 Beschwerde ein. Sie argumentierte, die Frist sei hier nicht einschlägig oder beginne erst mit der Verfahrensaufhebung. Die Geschäftsführerbestellung sei trotz eines Formfehlers gültig, und alle Unterlagen seien ordnungsgemäß eingereicht worden. Ein Beschluss mit Rechtskraftvermerk sei weder erteilt noch notwendig.

Das Registergericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Beschwerdegericht vor.
 

Entscheidung | OLG Jena 2 W 242/24

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Registergericht wird folglich gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG angewiesen, die angemeldeten Tatsachen einzutragen.

Das Registergericht war der Meinung, G sei nicht wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden. Dieser Einschätzung folgt das Beschwerdegericht (Senat) jedoch nicht – es sieht keine formellen Hinderungsgründe für die Wirksamkeit der Anmeldungen (OLG Jena Beschl. v. 09.08.2024 – 2 W 242/24, BeckRS 2024, 41438 Rn. 9–38, beck-online).

Die Anmeldungen mussten laut § 78 GmbHG durch die Geschäftsführer erfolgen. G meldete als „alleiniger Geschäftsführer“ die Vorgänge an. Diese Anmeldung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie tatsächlich vom zur Vertretung berechtigten Organ kommt – andernfalls wäre sie zurückzuweisen. Im konkreten Fall war die Anmeldung jedoch wirksam.

Auch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens blieb die Geschäftsführungsstruktur formal bestehen, das heißt: die Geschäftsführer D und G blieben beide im Amt. Die Geschäftsführung ging im insolvenzrelevanten Bereich zwar auf den Insolvenzverwalter über, nicht aber bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, die nicht die Insolvenzmasse betreffen wie bspw. Fortführung, Abberufung oder Kapitalmaßnahmen (vgl. BGH, Urteil v. 26.01.2006 – IX ZR 282/03, juris; Bayerisches OLG, Beschl. v. 17.03.2004 – 
3Z BR 046/04, juris).

Die Anmeldung der Fortsetzung der Gesellschaft sowie Änderungen auf Geschäftsführungsebene durften also durch den Geschäftsführer G erfolgen (vgl. Noack–Haas, GmbHG, § 60 Rn. 92b; MüKoGmbHG/Müller, § 64 Rn. 106).

Dagegen wurde nach dem Insolvenzplan als Geschäftsführer abberufen. Dieser Plan wurde am 30.08.2023 bestätigt (§ 248 Abs. 1 InsO) und enthält wirksame gesellschaftsrechtliche Regelungen wie die Abberufung und Bestellung von Organen (§ 225a Abs. 3 InsO; vgl. Braun/Braun/Frank, § 225a Rn. 2; MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 81 ff.). Die Anmeldungen durch G war somit formell wirksam.

Auch materiell-rechtlich bestehen keine Gründe, die Anmeldung zurückzuweisen. Das Registergericht muss zwar sicherstellen, dass Eintragungen richtig sind, darf aber keine schwierigen rechtlichen Wertungen vornehmen, sofern keine offensichtlichen Fehler vorliegen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.06.2011 – II ZB 15/10, juris).

Die Abberufung von D war zulässig (s. o.); ebenso die Fortsetzung der Gesellschaft: Diese ist nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zulässig, wenn das Insolvenzverfahren nach einem bestätigten Insolvenzplan aufgehoben wird. Genau dies ist hier geschehen.

Im Insolvenzplan ist ausdrücklich geregelt, dass die Gesellschaft fortgeführt werden soll. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 28.03.2024. Dieser Zeitpunkt war bei Entscheidung des Registergerichts bereits eingetreten und daher zu berücksichtigen (vgl. Thüringer OLG, Beschl. v. 15.03.2017 – 2 W 26/17, juris). Die Pflicht zur Vorlage des Aufhebungsbeschlusses obliegt dem Insolvenzgericht, nicht der Antragstellerin (§ 258 Abs. 3 S. 4 InsO).

Ein bestätigter Insolvenzplan liegt ebenfalls vor. Die erforderliche Versicherung, dass keine Verteilung des Vermögens stattgefunden hat, wurde nachgereicht (UVZ-Nr. des Notars O, Bl. 47 RS der Registerakte).

Eine wirtschaftliche Prüfung durch das Registergericht findet nach Planbestätigung nicht mehr statt (vgl. MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 103; BGH, Beschl. v. 8.4.2020 – II ZB 3/19, juris).

Auch die Kapitalmaßnahmen – Herabsetzung auf 0 Euro und Erhöhung auf 25.000 Euro – waren nicht zu beanstanden. Die Aufnahme dieser Maßnahmen in den bestätigten Insolvenzplan genügt (§ 225a Abs. 3 InsO), das Formerfordernis gilt dadurch als erfüllt (§ 254a Abs. 1 InsO; vgl. Noack–Kersting, GmbHG, § 58a Rn. 5). Der Zweck der Herabsetzung wurde zudem ordnungsgemäß angegeben (vgl. MüKoGmbHG/Vetter, § 58a Rn. 49).

Strittig ist, ob die Frist des § 58a Abs. 4 Satz 2 GmbHG bei Insolvenzplänen gilt. Der Senat verneint dies. Die Vorschrift ist nicht anwendbar, da das Insolvenzverfahren eigene Beschleunigungsregeln enthält (§§ 231 ff. InsO) und § 225a InsO das Gesellschaftsrecht nur insoweit einbezieht, wie keine insolvenzrechtlichen Regelungen greifen (vgl. Hölzle/Beyß, ZIP 2016, 1461, 1467; Kübler/Spahlinger, InsO, § 225a Rn. 13).

Im Ergebnis waren die Anmeldungen durch G damit sowohl formell als auch materiell wirksam.
 

Praxishinweis | OLG Jena 2 W 242/24

Die Entscheidung des OLG Jena gibt vor allem Praxishinweise für die Zuständigkeit und Handlungspflichten der Geschäftsführung während des Insolvenzverfahrens, das Verhältnis von GmbHG und InsO bei Kapitalmaßnahmen, sowie für den maßgeblichen Zeitpunkt und Umfang der registerrechtlichen Prüfung im Zusammenhang mit Eintragungen nach einem Insolvenzplan.

Kittner hebt in diesem Rahmen hervor, dass das OLG Jena wichtige Klarstellungen zu den Befugnissen von Geschäftsführern nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens liefert. Entgegen einer häufigen Fehlannahme wird der Geschäftsführer nicht automatisch durch den Insolvenzverwalter ersetzt. Vielmehr bleibt er in allen Bereichen zuständig, die nicht zur Insolvenzmasse gehören – und trägt dort auch weiterhin Verantwortung (GWR 2025, 121, beck-online).

Ein weiterer praxisrelevanter Punkt ist das Verhältnis zwischen Insolvenzordnung und GmbH-Recht. Das Gericht stellt klar: Vorschriften wie § 58a GmbHG gelten nur dann, wenn sie nicht bereits durch spezifische insolvenzrechtliche Regelungen ersetzt oder überflüssig gemacht werden. Im Ergebnis führt das zu mehr Klarheit und Rechtssicherheit im Umgang mit insolvenzplanbasierten Maßnahmen (GWR 2025, 121, beck-online).

Über die von Kittner herausgestellten Punkte hinaus enthält die Entscheidung des OLG Jena (Beschl. v. 09.08.2024 – 2 W 242/24) weitere praxisrelevante Hinweise. Besonders hervorzuheben ist, dass für die registerrechtliche Prüfung nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung, sondern auf den der Eintragungsentscheidung abzustellen ist. Antragsteller sind daher gut beraten, wesentliche Entwicklungen – etwa die Aufhebung des Insolvenzverfahrens – auch nachträglich zu dokumentieren und dem Registergericht unaufgefordert nachzureichen.

Zudem betont der Senat, dass das Fehlen eines Rechtskraftvermerks auf dem Aufhebungsbeschluss kein Eintragungshindernis darstellt, da die Übermittlung dieses Beschlusses gemäß § 258 Abs. 3 Satz 4 InsO allein der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts obliegt. Weiter wird klargestellt, dass das Registergericht keine wirtschaftliche Zweckmäßigkeitsprüfung des Insolvenzplans vorzunehmen hat; dies unterstreicht den Vorrang insolvenzrechtlicher Regelungen gegenüber gesellschaftsrechtlichen Vorschriften wie §§ 58a ff. GmbHG, soweit Letztere durch das Insolvenzrecht funktional ersetzt werden.

Nicht zuletzt bestätigt das OLG, dass Regelungen zur Organstellung auch dann Wirksamkeit entfalten können, wenn sie sich – abweichend vom üblichen Aufbau – im darstellenden Teil des Insolvenzplans finden, sofern der Wille zur gesellschaftsrechtlichen Regelung hinreichend erkennbar ist.