BSG B 12 R 18/18 R
Sozialversicherungsrechtlicher Status eines an der Muttergesellschaft beteiligten GmbH-Geschäftsführers

14.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BSG
23.02.2021
B 12 R 18/18 R
DStR 2021, 2477

Leitsatz | BSG B 12 R 18/18 R

  1. Ist der Geschäftsführer einer GmbH nicht selbst deren Gesellschafter, aber an einer anderen Gesellschaft beteiligt, die ihrerseits Gesellschafterin der GmbH ist (Muttergesellschaft), ist diese mittelbare Rechtsmacht sozialversicherungsrechtlich nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt. Entscheidend bleibt, dass der Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahmemöglichkeit auf Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten GmbH hat oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann (Fortführung von BSG v. 8.7.2020 – B 12 R 4/19 R, BeckRS 2020, 37884). (Ls. n. amtl.)
  2. Die reine Beteiligung als Minderheitsgesellschafter mit umfassender Sperrminorität ohne Geschäftsführungsbefugnis bleibt auf die Einflussnahme in der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft beschränkt. Die Gesellschafterversammlung einer Muttergesellschaft kann auf die Ausübung von Gesellschafterrechten in einer Tochtergesellschaft regelmäßig nur durch Weisungen an ihre Geschäftsführung Einfluss nehmen, da Maßnahmen der Verwaltung bestehender Beteiligungen an anderen Gesellschaften einschließlich der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung einer Tochtergesellschaft eine gewöhnliche Geschäftstätigkeit darstellen, welche in den Aufgabenbereich der Geschäftsführung fällt. Ein Minderheitsgesellschafter kann jedoch der Geschäftsführung keine Weisung erteilen (Weiterentwicklung von BSG v. 8.7.2020 – B 12 R 6/19 R, BeckRS 2020, 37885). (Ls. n. amtl.)

Sachverhalt | BSG B 12 R 18/18 R

Der Kläger ist seit dem 01.10.2014 Geschäftsführer der beigeladenen GmbH. Die Beteiligten streiten darüber, ob er im Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 02.05.2016 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Das Stammkapital der (beherrschten) beigeladenen GmbH wird vollständig von der (herrschenden) MAM GmbH gehalten. Beide GmbHs schlossen im November 2014 einen Beherrschungsvertrag. Am Stammkapital der MAM GmbH ist der Kläger zu 10 % beteiligt. In einem Beschluss vom 02.10.2014 beschließt die MAM GmbH einstimmig, dass grundsätzlich alle Entscheidungen der beigeladenen GmbH nur mit einer qualifizierten Mehrheit von 91 % gefasst werden können mit der Folge, dass die Sperrminorität auch auf alle Entscheidungen der beigeladenen GmbH Anwendung findet. Darüber hinaus wurde es dem Kläger gestattet, die beigeladene GmbH in der Funktion eines Hauptgeschäftsführers, insbesondere in näher bezeichneten Geschäftsfeldern, alleinvertretungsberechtigt zu führen und nach außen zu vertreten.

Nach Stellung des Statusfeststellungsantrags stellte die Beklagte den Kläger dessen Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung für die Zeit ab dem 01.10.2014 fest. Die Beklagte stellte später fest, dass ab dem 03.05.2016 keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter mehr bestand, da der Kläger von dort an im Handelsregister als weiterer Geschäftsführer der MAM GmbH eingetragen war.

Das SG Würzburg hob sowohl den Feststellungsbescheid als auch den Widerspruchsbescheid auf und verurteilte die Beklagte zur Feststellung, dass die ausgeübte Tätigkeit im entsprechenden Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Der Kläger legte Revision ein.

Entscheidung | BSG B 12 R 18/18 R

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat die Versicherungspflicht des Klägers, in seiner Tätigkeit als beschäftigter Fremdgeschäftsführer der beigeladenen GmbH, in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 7a Abs. 2 SGB IV rechtmäßig festgestellt.

Die Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe für gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Die Beschäftigung werde gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist, was von der selbstständigen Tätigkeit abzugrenzen sei. Im Falle eines Geschäftsführers einer GmbH richte es sich, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, insbesondere danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse, die sein Anstellungsverhältnis betreffen, beeinflussen kann. Für die selbstständige Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer müsste der Kläger am Gesellschaftskapital beteiligt sein und zudem über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügen. Der Kläger war nicht am Stammkapital beteiligt und unterlag dem Weisungsrecht der MAM GmbH, welche alleinige Gesellschafterin der beigeladenen GmbH ist.

Darüber hinaus bestehe auch keine die Versicherungspflicht ausschließende Rechtsmacht zur Verhinderung von Weisungen an sich als Geschäftsführer aufgrund seiner Beteiligung an der MAM GmbH. Zwar hatte der Kläger durch seinen Gesellschafteranteil in Höhe von 10% eine umfassende Sperrminorität, konnte jedoch mangels Geschäftsführereigenschaft der MAM GmbH zum streitigen Zeitpunkt ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung der beigeladenen GmbH nicht verhindern.

Darüber hinaus könne der Kläger eine solche Rechtsmacht auch nicht von einer Stellung ableiten, kraft der er als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Diese müsse im Gesellschaftsrecht wurzeln, das heißt im Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt sein, um für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung von Bedeutung sein zu können. Der Kläger müsste als Geschäftsführer insbesondere über die Rechtsmacht verfügen, auf die Beschlüsse der Gesellschaft einzuwirken, für die er die Geschäftsführung übernommen hat. Einfluss auf die Gesellschafterrechte in einer Tochtergesellschaft übe die Muttergesellschaft durch Weisungen an ihre Geschäftsführung aus, da solche Aufgaben in den Aufgabenbereich der Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft falle (§ 45 GmbHG). Die MAM GmbH hat daher die Möglichkeit Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der beigeladenen GmbH unmittelbar durch die an der MAM GmbH beteiligten Geschäftsführer zu beeinflussen. Da der Kläger zum streitigen Zeitpunkt noch nicht Geschäftsführer der MAM GmbH war, konnte er nicht auf die Ausübung der Beteiligungsrechte in der Gesellschafterversammlung der beigeladenen GmbH einwirken. An Weisungen gegenüber der Geschäftsführung der MAM GmbH sei der Kläger als Minderheitsgesellschafter gehindert.

Ebenfalls ändere der Beschluss der Gesellschafterversammlung der MAM GmbH zur Geschäftsführung der beigeladenen GmbH vom 02.10.2014 nichts an der Rechtsmachtverteilung. Die dadurch eingeräumte Funktion als alleinvertretungsberechtigter Hauptgeschäftsführer räumte dem Kläger nicht die Rechtsmacht ein, Weisungen an sich zu verhindern. Diese Funktion führe lediglich zu der Einräumung einer gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretungsmacht. Darüber hinaus sei er unabhängig vom Beherrschungsvertrag als Geschäftsführer der beigeladenen GmbH den Weisungen der Geschäftsführung der MAM GmbH unterworfen.

Damit sei der Kläger im einschlägigen Zeitpunkt nicht selbstständig tätig und der Bescheid mithin rechtmäßig ergangen.

Praxishinweis | BSG B 12 R 18/18 R

Für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist es entscheidend, ob der Antragsteller als selbständig oder nichtselbstständig beschäftigte Person eingestuft werden kann. Für den Nachweis einer selbstständigen Tätigkeit sollte der Antragsteller nachweisen können, dass er nicht in irgendeiner Weise weisungsgebunden ist. Er muss die Rechtsmacht innehaben, ihm nicht genehme Weisungen an sich und seine Stellung als Geschäftsführer zu verhindern. Dafür müsste er Einfluss auf die Geschäftsführer der Muttergesellschaft haben. Sollte der Antragsteller somit im streitigen Zeitpunkt nicht Geschäftsführer der Muttergesellschaft sein, dann wird es regelmäßig nicht gelingen eine solche Rechtsmacht herzuleiten. Daraus folgt dann die Einordnung als nichtselbstständig beschäftigter und damit versicherungspflichtiger Geschäftsführer.