BFH i R 96/08
Steuerneutrale Abspaltung eines Teilbetriebs nur bei Übertragung, nicht bei bloßer Vermietung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen

11.07.2011

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
04.07.2010
i R 96/08
DStR 2010, 1517

Leitsatz | BFH i R 96/08

  1. Die Übertragung eines Teilbetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 liegt nur vor, wenn auf den übernehmenden Rechtsträger alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des betreffenden Teilbetriebs übertragen werden. Daran fehlt es, wenn einzelne dieser Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden, sondern der übernehmende Rechtsträger insoweit nur ein obligatorisches Nutzungsrecht erhält.
  2. § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 ist auch auf Abspaltungen anwendbar, bei denen keine Teilbetriebe übertragen werden (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 15.11 Satz 6).
  3. Die Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 gilt nicht für die Gesellschafter der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft.

Sachverhalt | BFH i R 96/08

Im vorliegenden Fall sollte ein Teilbetrieb Stahl- und Metallbearbeitung der Klägerin auf die neu gegründete S-GmbH abgespalten werden. Es wurden gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen Vermögensgegenstände und Arbeitsverträge der Klägerin auf die
S-GmbH übertragen.

Der Vertrag sah aber vor, dass die Grundstücke, auf denen die Fabrikhallen standen, nicht auf die S-GmbH übergehen sollten. Die Klägerin vermietete Grundstück und Gebäude bloß an die S-GmbH. Der Mietvertrag sah dabei zwar eine unbestimmte Mietdauer vor, konnte aber unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.
Die S-GmbH setzte die übernommenen Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert an. Das Finanzamt widersprach diesem Wertansatz.

Entscheidung | BFH i R 96/08

Der BFH stützte die Entscheidung des Finanzamtes. Die Klägerin habe wegen der Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen keinen Teilbetrieb übertragen, was aber für die Steuerneutralität der Abspaltung notwendig sei. Die Grundstücke hätten vorliegend eine wesentliche Betriebsgrundlage dargestellt. Die Vermietung an die S-GmbH sei für eine Übertragung aber nicht ausreichen.

Der BFH hat sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Nutzungsüberlassung für die Annahme der Übertragung eines Teilbetriebs ausreicht, wenn die Überlassung zur Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums führt. Im vorliegenden Fall konnte nach Ansicht des BFH nicht von einer Übertragung wirtschaftlichen Eigentums ausgegangen werden, da das Mietverhältnis mit einer einjährigen Frist kündbar war. Der BFH sah keine Möglichkeit diese Einschätzung nach dem Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren vorzunehmen, wonach die Mindestlaufzeit des Mietvertrags nach Vertragsschluss auf fünf und danach auf 15 Jahre verlängert worden sein sollte. Diese Frage sei unbeachtlich, da auch bei einer derartigen Kündigungsfrist die Annahme wirtschaftlichen Eigentums der S-GmbH ausgeschlossen sei.

Praxishinweis | BFH i R 96/08

Mit diesem Urteil hat der BFH die Auffassung der Verwaltung zum Teilbetrieb und auch die funktionale Beurteilungsweise für wesentliche Betriebsgrundlagen bestätigt. Auch für das UmwStG 2006 ist dieses Urteil einschlägig, da sich die Rechtsgrundlage nicht verändert hat.

Auch wenn der BFH sich nicht mit der Frage des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums beschäftigen musste, da dieser im vorliegenden Fall nicht vorlag, geht die Finanzverwaltung für das alte und das neue UmwStG davon aus, dass die Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums ausreiche, um das Ansatzwahlrechtes zu ermöglichen (vgl. zum UmwStG 1995 OFD Hannover v. 30.01.2007, S 1978c – 56 – StO 243,BeckVerw 089474).

Das Urteil des BFH betrifft nicht nur die Abspaltung. Es hat Auswirkungen auf alle Umwandlungsvorgänge, in denen es auf das Vorliegen eines Teilbetriebs ankommt.