OLG Karlsruhe 14 W 104/23 (Wx)
Fortwirkung der Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers bei der (gestreckten) Begründung von Sondernutzungsrechten in der WEG bis zur Eintragung im Grundbuch

09.05.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
28.03.2024
14 W 104/23 (Wx)
RNotZ 2024, 518

Leitsatz | OLG Karlsruhe 14 W 104/23 (Wx)

  1. Macht der teilende Eigentümer noch als Mitglied der Eigentümergemeinschaft von der in der Teilungserklärung vorgesehenen Befugnis zur Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an Gemeinschaftsflächen zu einer Wohnungseigentumseinheit Gebrauch, hat das Grundbuchamt durch Auslegung der Teilungserklärung zu ermitteln, ob die Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers trotz zwischenzeitlichen Ausscheidens aus der Eigentümergemeinschaft fortwirkt, bis das Sondernutzungsrecht zu Gunsten des Erwerbers des Sondernutzungsrechts im Grundbuch eingetragen und verdinglicht ist.
  2. Bei der Auslegung der Teilungserklärung ist insbesondere der jedem unbefangenen Betrachter erkennbare Sinn und Zweck der gestreckten Begründung des Sondernutzungsrechts in den Blick zu nehmen, wonach eine möglichst flexible, sowohl für den teilenden Eigentümer als auch die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Grundpfandrechtsgläubiger zeit- und kostensparende Zuweisung dieser Sondernutzungsrechte ermöglicht werden und die mit der Beschaffung der Bewilligung aller Wohnungseigentümer und ihrer Grundpfandrechtsgläubiger möglicherweise verbundenen praktischen (und rechtlichen) Probleme vermieden werden sollen.
  3. Das Grundbuchamt darf die Eintragung des Sondernutzungsrechts nur nach Maßgabe des im Eintragungsverfahren beschränkt geltenden Legalitätsgrundsatzes von der Bewilligung der übrigen Wohnungseigentümer abhängig machen, wenn es greifbare Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass das zunächst nur schuldrechtlich begründete und nach den §§ 414, 2. Halbsatz, 398 Satz 1 BGB formlos übertragbare Sondernutzungsrecht tatsächlich unterdessen einem anderen Wohnungseigentümer übertragen worden ist.

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 14 W 104/23 (Wx)

Ursprünglich war die Beteiligte zu 1) – ein Bauträgerunternehmen – alleinige Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks. Mit notarieller Teilungserklärung vom 04.02.2014 teilte sie das Grundstück in Wohn- und Teileigentum mit der Absicht, auf dem Grundstück später Mehrfamilienhäuser mit mehreren Wohneinheiten und Tiefgaragenstellplätzen zu errichten. Diese regelte zudem, dass Sondernutzungsrechte an Freiflächen und Kfz-Stellplätzen einzelnen Einheiten bzw. Eigentümern durch den teilenden Eigentümer zugewiesen werden können, solange er im Grundbuch eingetragen und Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist.

Am 13.09.2021 wies die Beteiligte zu 1) Sondernutzungsrechte an bestimmten Freiflächen dem Tiefgaragenstellplatz Nr. 19 zu, der sich im Eigentum der Beteiligten zu 2) befand. Gleichzeitig verkaufte sie diese Sondernutzungsrechte an die Beteiligte zu) 2 und beantragte die Eintragung ins Grundbuch. Zu diesem Zeitpunkt war die Beteiligte zu 1) noch Eigentümerin mindestens einer Einheit. Nach Abschluss weiterer Verkäufe schied sie am 26.01.2022 aus der WEG aus.

Das Grundbuchamt lehnte den Antrag ab und verlangte die Bewilligung sämtlicher Eigentümer der WEG sowie die Zustimmung sämtlicher dinglicher Berechtigter. Es vertrat die Auffassung, dass die Befugnis zur Bewilligung der Eintragung grundsätzlich bis zum Ende des Rechtserwerbs, mindestens aber bis zum Eingang beim Grundbuchamt vorliegen müsse. Die Beteiligte zu 1) war bei Eingang von Antrag und Bewilligung am 04.02.2022 nicht mehr Mitglied der WEG, sodass sie zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr befugt gewesen sei, die Sonderungsnutzungsrechte zuzuweisen und die Bewilligung abzugeben. Die Beteiligte zu 1) hingegen berief sich auf das Bestehen der Zuweisungsbefugnis zum Zeitpunkt der Zuweisung der Sonderungsnutzungsrechte am 13.09.2024 als damals eingetragener Teileigentümer gemäß Teilungserklärung.
Das Grundbuchamt half der Beschwerde der Beteiligten zu 1) nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.

Entscheidung | OLG Karlsruhe 14 W 104/23 (Wx)

Die Beschwerde ist begründet. Die Eintragung der Sondernutzungsrechte könne nicht von der Bewilligung der übrigen Wohnungseigentümer sowie der dinglich Berechtigten abhängig gemacht werden.

Zunächst stellt das OLG Karlsruhe fest, dass Sondernutzungsrechte kraft Vereinbarung oder – wie hier – einseitiger Erklärung des teilenden Eigentümers für einen Wohnungseigentümer das alleinige Nutzungsrecht an bestimmten Gemeinschaftsflächen zu einer Wohnungseigentumseinheit begründen. Damit solche Rechte auch gegen den Sondernachfolger des Wohnungseigentümers wirken, müssen sie gem. § 10 Abs. 3 S. 2 WEG als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen werden. Da sie eine Beschränkung des Gemeinschaftseigentums darstellen, erfordere die Eintragung grundsätzlich die Zustimmung aller Wohnungs- und Teileigentümer. Zudem sei nach § 5 Abs. 4 S. 2 WEG auch die Bewilligung der dinglich Berechtigten erforderlich. 

Sofern die Zuweisungsmöglichkeit und Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers – wie hier – gerade auf dessen persönlicher Sondernutzungsberechtigung beruht, bestehe die Zuweisungsbefugnis nach Rspr. und Lit. grundsätzlich nur bis zum Ausscheiden des teilenden Eigentümers aus der Gemeinschaft mit der letzten Veräußerung von Wohnungseigentum. Werde sie nicht ausgeübt, erlösche das persönliche Sondernutzungsrecht des teilenden Eigentümers. Zur Bewilligung berechtigt seien dann (nur noch) die Wohnungseigentümer.
 
Die Beteiligte zu 1) habe vorliegend am 13.09.2021 von ihrer Zuweisungsbefugnis gemäß Teilungserklärung Gebrauch gemacht. Die Bewilligung sei jedoch erst am 04.02.2022 beim Grundbuchamt eingegangen, zu einem Zeitpunkt, als die Beteiligte zu 1) kein Mitglied der Gemeinschaft mehr war. Macht der teilende Eigentümer als Mitglied der WEG von der Zuweisungsbefugnis eines Sondernutzungsrechts Gebrauch, müsse das Grundbuchamt durch Auslegung des konkreten Inhalts der Teilungserklärung ermitteln, ob die Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers trotz zwischenzeitlichen Ausscheidens aus der WEG fortwirkt, bis das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen ist. Bei der Auslegung der Teilungserklärung sei insbesondere der jedem unbefangenen Betrachter erkennbare Sinn und Zweck der Begründung des Sondernutzungsrechts zu berücksichtigen – in der Regel die Ermöglichung einer flexiblen, unproblematischen sowie zeit- und kostensparenden Zuweisung dieser Rechte, sowohl für den teilenden Eigentümer als auch für die WEG und deren Grundpfandrechtsgläubiger. Im vorliegenden Fall ergebe die Auslegung von Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung, dass die Bewilligungsberechtigung fortwirke, bis die Sondernutzungsrechte zu Gunsten der Beteiligten zu 2) im Grundbuch eingetragen und verdinglicht sind.

Abschließend führt das OLG aus, dass das Grundbuchamt die Bewilligung der übrigen Wohnungseigentümer auch nicht als Nachweis dafür verlangen dürfe, dass die Sondernutzungsrechte nicht zwischenzeitlich einem anderen Wohnungseigentümer formlos durch Abtretung (§§ 413 Hs. 1, 398 S. 1 BGB) übertragen wurden. Der Senat ist der Auffassung, dass dieser Nachweis grundsätzlich nicht erforderlich sei, wenn – wie im konkreten Fall – Anhaltspunkte dafür fehlen, dass das Sondernutzungsrecht auf einen anderen Wohnungseigentümer übertragen wurde. Denn das Grundbuchamt habe im Eintragungsverfahren die materielle Richtigkeit der Eintragung grundsätzlich nicht zu prüfen (beschränkte Geltung des Legalitätsprinzips). Nur wenn das Grundbuchamt überzeugt sei, dass der begehrten Eintragung Tatsachen entgegenstehen, dürfe eine Prüfung der materiellen Rechtslage erfolgen und die Eintragung ggf. versagt werden. Auch im vorliegenden Fall begründe die bloße Möglichkeit, die Beteiligte  zu 1) könnte die Sondernutzungsrechte übertragen haben, kein Nachweiserfordernis. So finde sich in den Kaufverträgen der übrigen Wohnungseigentümer keine anderweitige Zuweisung.

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 14 W 104/23 (Wx)

In der Praxis haben sich – insbesondere für Bauträger – zwei gängige Gestaltungsmodelle der Teilungserklärung zur Begründung von Sondernutzungsrechten etabliert. Diese Modelle zielen darauf ab, die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer und deren Finanzierungsgläubiger bei der späteren Verbindung eines Sondernutzungsrechts mit einer bestimmten Einheit zu vermeiden. Gemeinsam ist beiden Varianten, dass die übrigen Wohnungseigentümer von der Nutzung der betroffenen Flächen ausgeschlossen werden (negative Komponente) und dem teilenden Eigentümer das Recht vorbehalten bleibt, das Sondernutzungsrecht später einer bestimmten Einheit zuzuweisen (positive Komponente).

In der ersten („gestreckten“) Gestaltungsvariante schließt der teilende Eigentümer in der Teilungserklärung die künftigen Wohnungseigentümer unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Zuweisung der Sondernutzungsrechte von der Nutzung aus. Dieser Ausschluss wird in den Grundbüchern der Wohnungseigentumsserie eingetragen, sodass keine weitere Bewilligung der übrigen Eigentümer oder dinglich Berechtigter erforderlich ist. In der zweiten („gestuften“) Gestaltungsvariante begründet der teilende Eigentümer ein persönliches Sondernutzungsrecht. Er schließt die künftigen Wohnungseigentümer in der Teilungserklärung sofort und ohne o.g. aufschiebende Bedingung von der Nutzung aus, behält sich jedoch vor, die Sondernutzungsrechte später mit bestimmten Einheiten zu verbinden. Auch hier ist die Bewilligung der übrigen Wohnungseigentümer und der dinglich Berechtigten grundsätzlich entbehrlich.