10.11.2017
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
13.01.2017
V ZR 138/16
NotBZ 2017, 259
Ein Wohnungseigentümer ist entsprechend § 25 Abs. 5 Alt. 1 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen (Personen-) Gesellschaft jedenfalls dann nicht stimmberechtigt, wenn er an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist.
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, in welcher sich das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen richtet. Der Beklagte ist mit einem Miteigentumsanteil von 504/1000 Mehrheitseigentümer; die klagenden übrigen Wohnungseigentümer haben zusammen 496/1000 Miteigentumsanteile. Sie wenden sich gegen Beschlüsse, die auf einer Versammlung der Wohnungseigentümer mit der Stimmenmehrheit des Beklagten gefasst wurden.
Zu TOP 3 beschlossen die Wohnungseigentümer, mit der C. Immobilien GmbH & Co. KG einen Vertrag über die Belieferung der Anlage mit Wärme zu schließen. Der Beklagte ist Kommanditist der KG und Geschäftsführer von deren Komplementär-GmbH, an der er mit 51% der Geschäftsanteile beteiligt ist. Die übrigen 49% der Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH stehen seiner Ehefrau zu.
Das Landgericht hat die Revision zugelassen und diese Entscheidung auf die grundsätzliche Bedeutung der umstrittenen und höchstrichterlich nicht geklärten Frage gestützt, unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer von der Beschlussfassung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einer juristischen Person ausgeschlossen ist, an der er als Gesellschafter beteiligt ist und/oder deren Geschäfte er führt.
Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer gehört zum Kernbereich elementarer Mitgliedschafts-rechte. Es bildet ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten und darf daher nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden.
Einigkeit besteht allerdings noch darüber, dass eine entsprechende Anwendung des Stimmrechtsausschlusses nach § 25 Abs. 5 Alt. 1 WEG bei einer personellen und wirtschaftlichen Verflechtung von Wohnungseigentümer und (künftigem) Vertragspartner der Wohnungseigentümergemeinschaft in Betracht kommt. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur Auslegung der entsprechenden Regelung in § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG wird gefordert, dass der stimmberechtigte Wohnungseigentümer mit dem Dritten wirtschaftlich so eng verbunden ist, dass sein persönliches Interesse mit dem des Dritten „völlig gleichgesetzt“ werden kann.
Nach einer - von dem Berufungsgericht geteilten - Auffassung soll auch eine Beteiligung des Wohnungseigentümers an der unternehmerischen Führung der Gesellschaft ausreichend sein. Dann nämlich sei zu erwarten, dass er an dem Zustandekommen oder Nichtzustandekommen des Rechtsgeschäfts besonders interessiert ist und deshalb bei der Ausübung seines Stimmrechts seine etwaigen privaten Sonderinteressen und das Gemeinschaftsinteresse der Wohnungseigentümer nicht mehr unbefangen gegeneinander abwägt, sondern sich von seinen privaten Sonderinteressen leiten lässt. In diesem gesteigerten privaten Sonderinteresse sieht der Gesetzgeber einen schweren Interessenkonflikt, der die ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gefährdet, nicht (mehr) hingenommen werden soll und deshalb zu einem Stimmrechtsausschluss führt.
Der Gesetzgeber hat sich bei der Abfassung der §§ 24 und 25 WEG an den entsprechenden Vorschriften des Vereinsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs orientiert. Das Stimmrecht soll nicht bei jedwedem Interessenkonflikt und eben nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil das Rechtsgeschäft für den Wohnungseigentümer wirtschaftlich vorteilhaft ist. Vielmehr soll es auf einen schweren Interessenkonflikt ankommen, im Fall der Beschlussfassung über Rechtsgeschäfte auf die durch die eigene Beteiligung an dem Rechtsgeschäft ausgelöste Befangenheit des abstimmenden Wohnungseigentümers. Entscheidend muss die Verknüpfung persönlicher und wirtschaftlicher Interessen sein. Nach den im Gesellschaftsrecht entwickelten Kriterien kann grundsätzlich beurteilt werden, wann ein vorliegender Interessenkonflikt mit dem in § 25 Abs. 5 Alt. 1 WEG geregelten Ausmaß identisch ist.
Als Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist der Wohnungseigentümer verpflichtet, in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren und nicht den eigenen Vorteil zu suchen. Die Wahrnehmung des Gesellschaftsinteresses wird jedenfalls durch seine Mehrheitsbeteiligung auch zu seinem eigenen Interesse, was eine Gleichsetzung beider Interessen und damit die Anwendung des Stimmrechtsausschlusses rechtfertigt.
Auch der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft muss das Vorliegen von Stimmverboten bei der Verkündung der von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüsse beurteilen und darüber bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses entscheiden. Die Frage nach einem Stimmrechtsausschluss wird sich zwar oft schon im Vorfeld der Wohnungseigentümerversammlung abzeichnen. Der Verwalter wird von dem betroffenen Wohnungseigentümer auch die zur Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines Stimmverbots erforderlichen Auskünfte verlangen können. Er wird aber nach Funktion und Möglichkeiten regelmäßig keine offene und umfassende Abwägung vornehmen können, sondern auf möglichst klare und einfach festzustellende Kriterien angewiesen sein.