11.06.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG München
19.09.2024
33 W 1507/24
ZEV 2024, 817
Testamentsanfechtung wegen Übergehung eines spätgeborenen Pflichtteilsberechtigten [ PDF ]
Im Jahr 2023 ist der Erblasser verstorben. Er hinterließ eine Tochter, die 2008 gezeugt wurde und nicht von damaligen Lebensgefährtin des Erblassers stammte. In einem von ihm handschriftlich errichteten Testament vom 07.12.1994 befindet sich eine Vermächtnisverfügung zur Eigentumsverschaffung zweier Eigentumswohnungen an seine damalige nichteheliche Lebensgefährtin. Die ehemalige Lebensgefährtin forderte am 23.07.2024 die Tochter des Erblassers auf, das Vermächtnis bis 20.08.2024 zu erfüllen. Dafür sollte die Tochter die Auflassung und die Abgabe einer Eintragungsbewilligung erklären, sowie den Grundbesitz herausgeben. Zusätzlich wird die Tochter unverzüglich aufgefordert zur Sicherung des Anspruchs einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch zuzustimmen.
Am 24.07.2024 hat der Vertreter der Tochter die Anfechtung des Testament erklärt. Daraufhin stellte die ehemalige Lebensgefährtin am 03.08.2024 einen Antrag auf einstweilige Verfügung zur Beantragung und Bewilligung der Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch durch die Tochter. Zudem reichte sie Klage gegen die Tochter auf Erfüllung des Vermächtnisses vor dem Landgericht Kempten im Allgäu ein.
Der Antrag auf einstweilige Verfügung wurde abgelehnt, weil der Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Gegen die Ablehnung des Antrags richtete sich die Antragstellerin mit einer sofortigen Beschwerde, mit der Begründung, dass die Tochter als Pflichtteilsberechtigte nicht übergangen wurde, weil sie erhebliches Vermögen erbe und der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage auch die Vermächtnisanordnung getroffen hätte. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG München als Beschwerdegericht nach § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgelegt. Die Tochter hat danach nochmals die Anfechtung des Testaments nach § 2079 Satz 1 BGB erklärt.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Die Antragstellerin konnte einen Anspruch auf Vermächtniserfüllung nach § 2174 BGB nicht glaubhaft machen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragsgegnerin das Testament wirksam angefochten hat und somit nicht Beschwerte des Vermächtnisses nach § 2147 BGB ist.
Eine wirksame Anfechtung erfordert eine Anfechtungserklärung, einen Anfechtungsgrund und keinen Ausschluss durch z.B. Fristablauf.
Die Antragsgegnerin hat, durch ihren Vertreter, die Anfechtung des Testaments gegenüber der Antragstellerin nach § 143 Abs. 1 BGB erklärt. Die Anfechtungserklärung bedarf nicht der Nennung des Grundes, dieser muss lediglich im Zeitpunkt der Erklärung vorliegen. Die Anfechtung erfolgte innerhalb der Jahresfrist ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes nach § 2082 Abs. 1 BGB.
Die Antragsgegnerin stützt den Grund ihrer Anfechtung auf § 2079 Satz 1 BGB. Danach kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, wenn ein Pflichtteilsberechtigter erst nach Errichtung des Testaments geboren wurde und zum Zeitpunkt des Erbfalls in der letztwilligen Verfügung übergangen wurde. Die Tochter des Erblassers ist erst nach Errichtung des Testaments geboren worden. Ein Übergehen liegt im Sinne der Vorschrift vor, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten nicht bedacht hat, aber auch nicht von der Erbfolge ausschließen wollte. Der Ausschluss muss also unbewusst erfolgen. Das schlichte Fehlen in der letztwilligen Verfügung begründet keinen wissentlichen Ausschluss. Vielmehr muss der Willen zum Ausschluss im Testament Ausdruck finden. Daher ist es auch irrelevant welches Vermögen der Pflichtteilsberechtigte, trotz des Übergehens, erhält.
§ 2079 Satz 1 BGB bedarf keine Kausalität zwischen der Unkenntnis der Existenz des Pflichtteilsberechtigten und dem Fehlen im Testament. Der vermutete Regelfall ist, dass ein Erblasser bei Kenntnis der Sachlage den Pflichtteilsberechtigen nicht übergangen hätte.
Der Erblasser konnte aufgrund der fehlenden Geburt seiner Tochter keine Kenntnis von ihrer zukünftigen Existenz haben. Im Testament des Erblassers fehlt eine Aufführung der Tochter. Daher wurde die Tochter nach § 2079 Satz 1 BGB übergangen. Zudem wird vermutet, dass der Erblasser seine Tochter bei Kenntnis der Sachlage bei Errichtung des Testaments nicht übergangen hätte.
Der entsprechender Gegenbeweis der Vermutung nach § 2079 Satz 2 BGB ist der Antragstellerin nicht gelungen. Der Umstand, dass der Erblasser nach Kenntnis von seiner Tochter sein Testament nicht änderte, ist kein Argument dafür, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage dieselbe Verfügung getroffen hätte. Für die Annahme eines „geflissentlich Bestehenlassens“ reicht die bloße Untätigkeit des Erblassers nicht aus, weil diese sich auch aus anderen Umständen, wie z.B. Vergessen oder körperliche Hinfälligkeit, ergeben kann.
Daher lag der Anfechtungsgrund nach § 2079 Satz 1 BGB vor.