OLG München 23 U 5949/22
Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils auf einen Mitgesellschafter nach Kündigung

12.05.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
16.01.2025
23 U 5949/22
NZG 2025, 364

Leitsatz | OLG München 23 U 5949/22

  1. Eine Satzungsregelung, wonach die verbleibenden Gesellschafter einer GmbH nach Ausscheiden eines Mitgesellschafters die Übertragung des betreffenden Geschäftsanteils an die verbleibenden Gesellschafter oder an Dritte beschließen können, kann ein aufschiebend bedingtes Abtretungsangebot an den von den übrigen Gesellschaftern im Beschluss benannten Vertragspartner enthalten.
  2. In einem solchen Fall ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages zu ermitteln, wer Schuldner der Abfindung in Form des Kaufpreises sein soll. 

Sachverhalt | OLG München 23 U 5949/22

Die Kl. sind Mitglieder einer Erbengemeinschaft, welche einen Anteil an einer GmbH hält. Der Bekl. ist ebenfalls Gesellschafter dieser GmbH. Der Gesellschaftsvertrag enthält Bestimmungen zur Kündigung der Gesellschaft und zur Abfindung ausscheidender Gesellschafter, insbesondere gibt er vor, dass der Wert des Anteils des scheidenden Gesellschafters im Streitfall durch einen Schiedsgutachter festzustellen ist. 

Die Kl. kündigten im Juni 2018 die Gesellschaft, woraufhin die Gesellschafterversammlung die Fortsetzung der Gesellschaft, sowie die Abtretung des Gesellschaftsanteils der Erbengemeinschaft an den Bekl. beschloss. Die Kl. beantragten zuletzt, festzustellen, dass der Bekl. mit der Feststellung des Abfindungsentgeltes nach dem Gesellschaftsvertrag in Verzug ist, sowie Zahlung der Abfindung zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das LG wies die Klage vollumfänglich ab, wogegen sich die Kl. mit der Berufung vor dem OLG wandten. 

Entscheidung | OLG München 23 U 5949/22

Die Berufung hat keinen Erfolg. Zwar besteht der Anspruch dem Grunde nach, er ist aber nicht fällig. 

Zunächst kommt das OLG durch Auslegung zu dem Schluss, dass die Gesellschafter mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ein Angebot auf Abtretung ihres Gesellschaftsanteils, das aufschiebend auf den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft bedingt ist, abgegeben haben. Der Abtretungsempfänger wird durch Beschluss der Gesellschafterversammlung bestimmt. Streitig ist, inwiefern Gesellschafter, die nicht an der Errichtung der Satzung mitgewirkt haben, an eine solche Klausel gebunden sind. Darauf kam es aber im konkreten Fall nicht an, da die Kl. als Erben eines Gründungsgesellschafters ohnehin über § 1922 BGB vollständig in dessen Rechtspositionen eingetreten sind. 

Die Wirksamkeit der Abtretung war auch nicht von der Zahlung des Abtretungsentgeltes abhängig, da der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass ein entsprechender Beschluss bereits mit Zugang bei dem betreffenden Gesellschafter wirksam wird. 

Der Bekl. ist – abweichend von § 34 GmbHG – der Schuldner des Anspruchs, da nach der Rechtsprechung des BGH der Abtretungsempfänger passivlegitimiert ist, wenn der Anteil in Folge eines Ausschließungsbeschlusses abgetreten wird, es sei denn die Parteien haben – anders als hier – eine abweichende Vereinbarung getroffen. Aus dem Gesellschaftsvertrag leitet das OLG durch Auslegung ab, dass das Gesellschaftskapital nicht mit einem solchen Anspruch belastet werden soll. 

Die Nichtdurchsetzbarkeit des Anspruches folgt daraus, dass der beweispflichtige Kläger das nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Schiedsgutachten über den Anteilswert nicht vorgelegt hat. 

Die Berufung des Bekl. auf die Schiedsgutachterklausel sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil der Wert des Anteils nicht von vornherein feststehe. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte sich die Abfindung nicht am Buchwert, sondern am vermögenssteuerrechtlichen Wert, bestimmt nach dem Stuttgarter Verfahren, richten. Das Ergebnis dieses Verfahrens, welches regelmäßig hinter dem Verkehrswert zurückbleibt, kann durch den Schiedsgutachter nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung angepasst werden. 

Praxishinweis | OLG München 23 U 5949/22

  1. Wird im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, dass ein GmbH-Anteil dem Gesellschafter anders als durch Einziehung entzogen werden soll und soll die GmbH Schuldnerin des Abfindungsanspruchs sein, so muss dies explizit im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, da der Schuldner ansonsten durch Auslegung zu bestimmen ist.
  2. Im Übrigen sollten die Gesellschafter zur Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten darauf achten, im Gesellschaftsvertrag Regelungen über die Bestimmung der Höhe der Abfindung und über deren Fälligkeit aufzunehmen.
  3. Kritik: Bedenken ergeben sich in Bezug auf die Auslegung der Rechtsnatur der statuarischen Abtretungsklausel. Das OLG kommt zu dem Schluss, dass der Gesellschafterbeschluss über die Abtretung nicht nur schuldrechtliche Wirkung in der Art, dass der ausscheidende Gesellschafter zur Abtretung verpflichtet wird, sondern dingliche Wirkung, also den Abschluss des dinglichen Abtretungsvertrags haben soll. Dem steht jedoch der – anders als das OLG meint – klare Wortlaut der Satzung entgegen, wo es heißt „[…] ist der Kündigende verpflichtet, seinen Geschäftsanteil […] abzutreten.“