OLG München 7 U 3669/23e
Verwirkung des Zurückbehaltungsrechts bei treuwidrigem Verhalten

22.10.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
10.06.2024
7 U 3669/23e
GWR 2025, 11

Leitsatz | OLG München 7 U 3669/23e

  1. Anleger an einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft können Auskunft über die Identität anderer Gesellschafter verlangen, auch wenn diese mittelbar über einen Treuhänder beteiligt sind.
  2. Der Auskunftsanspruch kann sowohl aus dem Gesellschaftsvertrag als auch aus dem Innengesellschaftsverhältnis zwischen dem Treuhänder und den Treuhandkommanditisten folgen.
  3. Eine nur abstrakte Gefahr des Missbrauchs der Daten der Mitgesellschafter genügt nicht, um den Auskunftsanspruch zu beschränken. 
     

Sachverhalt | OLG München 7 U 3669/23e

Die Klägerin war über eine Treuhandkommanditistin mittelbar als Kommanditistin an zwei Publikumsgesellschaften beteiligt. In diesem Zusammenhang forderte sie von der jeweiligen Gesellschaft Auskunft über die Namen und Anschriften der weiteren Gesellschafter und Treugeber. Das LG München I gab der Klage in erster Instanz statt und verurteilte die Beklagten zur Herausgabe der angeforderten Informationen. Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein, über die das OLG München zu entscheiden hatte. Bereits im April 2024 hatte das OLG durch einen Hinweisbeschluss (BeckRS 2024, 16269) signalisiert, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen.

Entscheidung | OLG München 7 U 3669/23e

Das OLG München wies die Berufung gemäß § 522 ZPO mangels Erfolgsaussicht zurück, wie bereits zuvor durch Hinweisbeschluss angedeutet.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Klägerin ein Auskunftsanspruch über die (auch mittelbaren) Mitgesellschafter zusteht.
Dieser Anspruch ergebe sich sowohl aus dem Gesellschaftsvertrag als auch aus dem treuhändischen Innenverhältnis.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehe dem Anspruch nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen, wie bereits der Bundesgerichtshof klargestellt habe.
Grenzen des Auskunftsrechts seien lediglich dort zu ziehen, wo Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder die Schikaneverbote (§ 226 BGB) verletzt würden.

Eine solche Grenze sei im vorliegenden Fall jedoch nicht überschritten, selbst wenn die Klägerin mit der Auskunftserlangung wirtschaftliche oder werbliche Ziele verfolge.
 

Praxishinweis | OLG München 7 U 3669/23e

Wie Dahmen hervorhebt, folgt das OLG München mit seiner Entscheidung inhaltlich konsequent dem bereits ergangenen Hinweisbeschluss, sodass der Ausgang des Verfahrens nicht überraschend kommt. Aus praktischer Sicht ist das Urteil bedeutsam, da vergleichbare Konstellationen – insbesondere Auskunftsverlangen von Anlegern geschlossener Fonds gegenüber anderen (mittelbaren) Gesellschaftern – in der Beratungspraxis nicht selten auftreten. Die Rechtsprechung gesteht dem gesellschaftsrechtlichen Auskunftsanspruch in solchen Fällen regelmäßig Vorrang gegenüber dem Interesse an der Anonymität der Mitgesellschafter zu.

Dahmen verweist zudem auf den größeren Zusammenhang der Entscheidung. So lehnte das OLG München eine Aussetzung des Verfahrens trotz anhängiger, aus Sicht der Klägerin vergleichbarer Verfahren vor dem EuGH ab. Es stützte sich dabei auf die seiner Ansicht nach überzeugende Linie der BGH-Rechtsprechung. In der Fachliteratur – etwa bei Baumgartner/Manaigo (ZD 2023, 72) – war zuvor auf mögliche Schwächen im nationalen Umgang mit datenschutzrechtlichen Belangen innerhalb von Gesellschaften hingewiesen worden. Der inzwischen ergangene EuGH-Beschluss (BeckEuRS 2024, 768646) betont, dass nationale Gerichte zu prüfen haben, ob nicht auch mildere Maßnahmen als die umfassende Offenlegung der Gesellschafterdaten möglich sind. Solche Überlegungen fehlen im Urteil des OLG München jedoch. Nach Einschätzung Dahmens wird künftig eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen datenschutzrechtlichen Aspekten notwendig sein (GWR 2025, 11).