31.08.2021
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
04.05.2021
II ZR 38/20
NZG 2021, 1014
Zeitlich begrenzte Nachhaftung nach Kapitalherabsetzung bei einer KG [ PDF ]
Die Parteien streiten über die Nachhaftung eines Kommanditisten in Höhe von 90.000 €.
Kläger ist der Insolvenzverwalter einer Publikumsgesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG, in welcher die Beklagte seit 2009 als Kommanditistin mit einer Haftungssumme von 500.000 € im Handelsregister eingetragen war. Ihr Rechtsvorgänger erhielt in den Jahren 2006 und 2007 Ausschüttungen in Höhe von 90.000 €.
Am 14.12.2012 beschlossen die Gesellschafter im Rahmen eines Sanierungsplans die Einlagen der Kommanditisten um die Summe der erhaltenen Ausschüttungen zu verringern und die Haftungseinlage anschließend um 10 Prozent des verringerten Betrages herabzusetzen. Die Herabsetzung der Hafteinlage wurde am 16.07.2013 in das Handelsregister eingetragen und betrug für die Beklagte nunmehr 41.000 €. Den beiden Hauptgläubigern der Gesellschaft – welche in das Sanierungskonzept mit eingebunden waren – war der Beschluss seit Dezember 2012 bekannt.
Der Kläger verlangt mit Klageeingang am 5.07.2018 von der Beklagten 90.000 € aus wiederaufgelebter Außenhaftung nach Rückgewähr von Ausschüttungen sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Zwar bejaht der BGH eine grundsätzliche Nachhaftung nach §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1, 2, 161 Abs. 2, 128 HGB und unterstellt, dass die Ausschüttungen an den Rechtsvorgänger die Außenhaftung der Beklagten gem. § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 und 2 HGB wieder aufleben ließen. Jedoch sei in entsprechender Anwendung von § 160 Abs. 1 und 2, § 161 Abs. 2 HGB eine Enthaftung eingetreten, weil die fünftjährige Nachhaftungsfrist vor Klageerhebung abgelaufen sei. Eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter ist somit nicht mehr möglich.
Der BGH schließt sich damit der Rechtsprechung sämtlicher Oberlandesgerichte an, dass die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung auch bei einer Herabsetzung der Hafteinlage anzuwenden ist. Die Kernfrage war, ob für den Fristbeginn auf den Wortlaut der Norm (§ 174 HGB) abzustellen ist und somit die Eintragung im Handelsregister entscheidend wäre oder die positive Kenntnis der Gläubiger von der Haftungsherabsetzung ausschlaggebend ist, soweit diese zeitlich noch vor der Eintragung im Register liegt.
Der BGH hat sich für letzteres entschieden, mit der Begründung, dass anderenfalls eine Ungleichbehandlung zwischen Gesellschaftern, die nur teilweise aus der Gesellschaft ausscheiden und solchen, die ganz ausscheiden bestünde, weil letztere weniger streng haften würden.
Für den Fristbeginn ab Kenntnis spräche, dass für alle anderen Personengesellschaften ebenso die Frist mit Kenntnis der Gläubiger zu laufen beginnt: Für die GbR gilt gem. § 736 Abs. 2 BGB der § 160 Abs. 1 HGB entsprechend mit der Besonderheit, dass mangels Registereintragungen auch nicht an diese angeknüpft werden könne.
Für die OHG hatte der BGH bereits entschieden, dass trotz anmelde- und eintragungspflicht die Nachhaftungsfrist mit positiver Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters beginnt, weil die Eintragung nicht konstitutiv sei. Für die KG könne wegen der identischen Interessenlage nichts anderes gelten.
Ebenso sei die Haftungsherabsetzung des Kommanditisten im Interesse einer einheitlichen Haftungsbegrenzung im Personengesellschaftsrecht gleich zu behandeln. Hierfür spricht, dass die Berufung auf die fehlende Registerpublizität bei positiver Kenntnis rechtsmissbräuchlich ist (so bereits zur OHG: BGH ZR II 284/05, juris Rn. 19). Die Registereintragung habe nach § 174 HGB im Innenverhältnis der Gesellschaft keine konstitutive Wirkung, weil bereits mit Gesellschafterbeschluss die Herabsetzung wirksam werde. Im Außenverhältnis sei die Wirkung nur für Neugläubiger konstitutiv, weil gem. § 174 Hs. 2HGB die Eintragung nicht gegenüber Altgläubigern gilt. Neugläubiger müssten sich auch ohne Eintragung - bei Kenntnis der verringerten Haftung – an dieser festhalten lassen und hätten fünf Jahre Zeit hierauf zu reagieren. Sinn und Zweck der Registereintragung sei, nicht alle Gläubiger einzeln von der Änderung in Kenntnis setzten zu müssen. Hat ein Gläubiger auch ohne Registereinsicht Kenntnis erhalten, so sei der Gesetzeszweck von § 160 Abs. 1 S. 1 HGB auf anderem Wege erreicht worden und die Wirkung des § 176 Abs.1 HGB auf § 174 HGB zu übertragen.
Mit Ablauf der Nachhaftungsfrist entfällt auch entsprechend § 217 BGB die Haftung für Nebenleistungen, da § 160 HGB als spezielle Norm die Nachhaftung abschließend regelt.
Die Entscheidung bestätigt die vom BGH bereits vertretene Linie, dass im Personengesellschaftsrecht die 5-Jahres-Frist der Nachhaftung bereits mit dem Ende des Tages ab Kenntnis der Gläubiger von der Kapitalherabsetzung beginnt. Praktisch relevant ist ein baldiger Gesellschafterbeschluss, soweit eine Herabsetzung geplant ist, sowie eine zügige Benachrichtigung der Gläubiger hierüber. Dadurch kann eine drohende Haftung für Verbindlichkeiten, die nach Eintragung der Herabsetzung im Handelsregister entstanden sind, verhindert werden. Eine Eintragung der Haftungsherabsetzung im Handelsregister ist und bleibt verpflichtend und sollte ebenso frühzeitig vorgenommen werden, um Streitigkeiten mit Gläubigern möglichst zu verhindern.