06.06.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Köln
04.12.2023
18 U 73/23
AG 2024, 632
Bei Sachverhalten mit Sachbezug zum Vereinigten Königreich bleibt auch nach dessen Austritt aus der Europäischen Union für gerichtliche Verfahren, die nach dem 31.12.2020 eingeleitet worden sind, der Rückgriff u.a. auf den Verbrauchergerichtsstand gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO eröffnet.
Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit einer Genussrechtsbeteiligung auf Rückzahlung der getätigten Einlage nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte ist eine englische Limited mit Sitz in London. Am 18.10.2007 zeichnete der Kläger eine Genussrechtsbeteiligung i.H.v. 6.480,00 EUR an der M Investments AG mit Sitz in Wien. Die Genussrechtsbedingungen (GRB) sahen für die Genussrechtsbeteiligung sowie für alle sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten die ausschließliche Geltung des Rechts der Republik Österreich vor. Im Jahr 2013 wurde die M Investments GmbH – mit Sitz in Wien – die Rechtsnachfolgerin der M Investments AG. Der Kläger kündigte die Genussrechte zum 31.12.2017 ordentlich. Die Kündigung wurde von der M Investments GmbH bestätigt. Die Rechtsnachfolgerin verschmolz mit Wirkung zum 31.12.2018 sodann auf die Beklagte.
Der Kläger begehrt von der Beklagten nun im Wesentlichen die Rückzahlung der getätigten Einlage nebst Zinsen. Hilfsweise beansprucht er im Wege der Stufenklage die Abrechnung der Genussrechtebeteiligung und die Auszahlung des abgerechneten Auseinandersetzungsguthabens.
Die Klage wurde durch das Landgericht Köln abgewiesen. Der Kläger legte Berufung ein.
Die Berufung ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
Die Berufung ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die im Frühjahr 2022 erhobene Klage ist gemäß Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO gegeben. Daran ändert insbesondere die Tatsache nichts, dass die Beklagte eine britische Limited mit Sitz in London ist. Der hier anzuwendende Verbrauchergerichtsstand der EuGVVO findet trotz des in der Zwischenzeit vollzogenen Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU hier Anwendung. Die Anwendbarkeit bestimmt sich (inzwischen) aus Art. 6 Abs. 1 EuGVVO, deren sachlicher Anwendungsbereich eröffnet ist. Danach bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedsstaats grundsätzlich dann nach eigenem Recht, wenn die beklagte Partei keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat. Dieser im Grundsatz eröffnete Rückgriff auf autonome Zuständigkeitsregelungen des nationalen Rechts wird durch Art. 6 Abs. 1 EuGVVO wiederum ausdrücklich zugunsten einzelner Gerichtsstände eingeschränkt – hierzu zählt auch der Verbrauchergerichtsstand. Zwar endete mit Vollzug des Austritts des Vereinigten Königreichs der bis dahin an die Gerichte des Vereinigten Königreichs gerichtete Rechtsanwendungsbefehl durch Anwendung der EuGVVO. Für die Mitgliedsstaaten ist die EuGVVO jedoch weiterhin unmittelbar anwendbares Recht und als solches von diesen Gerichten weiterhin vorrangig zu prüfen, was auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt. Damit bleibt auch für Verfahren mit Sachbezug zum Vereinigten Königreich die Verordnung, und mithin auch der hier anwendbare Verbrauchergerichtsstand, eröffnet.
Sowohl die Verbrauchereigenschaft des Klägers als auch die Verbrauchersache i.S.v. Art. 17 EuGVVO sind zu bejahen. Die durch den Kläger gezeichnete Genussrechtsbeteiligung an der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist trotz enger Auslegung des Verbraucherbegriffs als Verbrauchergeschäft anzusehen, da der Kläger die Beteiligung ausschließlich als Privatperson gezeichnet hat. Den in anderen Verfahren geltend gemachten Einwand, sie habe sich nicht zielgerichtet mit ihrer operativen Tätigkeit an den deutschen Markt gewandt, kann die Beklagte nicht erfolgreich einwenden und wendet sie auch nicht ein.
Der in § 13 Nr. 2 der GRB vereinbarte Gerichtsstand am „Sitz der Gesellschaft“ steht der Klage vor deutschen Gerichten nicht entgegen, da es sich hierbei nicht um einen ausschließlichen Gerichtsstand handelt. Auch liegt keine innergesellschaftliche Streitigkeit vor, die eine ausschließliche Zuständigkeit gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Nr. 2 EuGVVO begründen könnte.
Die Klageschrift wurde dem director der Beklagten nach Eingang im Februar 2022 an dessen Wohnsitz in der Schweiz am 19.07.2022 gem. § 183 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a) des HZÜ ordnungsgemäß zugestellt. Unschädlich ist, dass die Klage in deutscher Sprache verfasst und nicht in die englische Sprache übersetzt worden war.
Die Berufung ist im Wesentlichen begründet. Die Klage wurde durch das Landgericht Köln indes zu Unrecht abgewiesen.
Denn das LG nahm zu Unrecht an, dass deutsches Sachrecht Anwendung findet. Tatsächlich ist die Rechtswahlklausel in § 13 Nr. 1 GRB nicht rechtsfehlerbehaftet und daher wirksam. Anwendung findet somit das gewählte materielle Recht der Republik Österreich.
Nach Maßgabe des österreichischen Rechts ist die Klage in der Hauptsache umfassend und hinsichtlich des Zinsanspruches weitgehend begründet.
Der Anspruch gerichtet auf Zahlung des Rückzahlungsbetrags ergibt sich aus § 6 Abs. 4 S. 1 GRB, wonach im Fall der wirksamen Kündigung der Genussrechtsbeteiligung der Genussrechtsinhaber die Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrags abzgl. eines etwaigen Verlustanteils verlangen kann. Der Kläger hat wirksam gekündigt. Der Kläger hat dies und den gezahlten Nennbetrag seiner gekündigten Genussrechtsbeteiligung schlüssig vorgetragen und belegt. Der geltend gemachte Nennbetrag wird hier auch nicht durch den Verlustanteil gemindert, da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachkam, mit der Folge, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung, dass es einen Verlustanteil nicht gegeben hat, gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Dies richtet sich nach der lex fori, mithin nach deutschem Recht.
Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte gem. § 4 GRB auch einen Anspruch auf eine nicht ausgezahlte Basisdividende abzüglich abgeführter Kapitalertrags-/Quellensteuer. Dem hierzu vom Kläger vorgetragenen Sachvortrag in der Berufungsbegründung ist die Beklagte in der Berufungserwiderung nicht entgegengetreten, sodass der Sachvortrag als unstreitig gilt. Dem steht auch nicht der in § 4 Nr. 4 GRB verankerte Dividendenvorbehalt entgegen, da die Beklagte nicht dargetan hat, dass durch die Bedienung des Anspruchs auf die Basisdividende bei ihr ein Jahresfehlbetrag entstehen oder erhöht oder ein Insolvenzeröffnungsgrund herbeigeführt würde.
Der Zahlungsanspruch ist insgesamt fällig und nicht verjährt. Die Frage der Verjährung beurteilt sich gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 EGBGB nach dem Vertragsstatut und unterliegt mithin österreichischem Recht. Die gem. § 1478 östABGB geltende dreißigjährige Verjährungsfrist ist nicht abgelaufen. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Zahlung der Basisdividende.
Der Zinsanspruch bemisst sich nach der lex causae, mithin nach österreichischem Recht und beläuft sich gem. § 1000 Abs. 1 östABGB auf vier Prozent p.a. beginnend ab dem Tag der Rechtshängigkeit, mithin am 20.07.2022.
Diese Entscheidung verdeutlicht einerseits die Möglichkeit der Anwendung des Rechts verschiedener Rechtsordnungen in einem Verfahren. Demnach sollte auch beim Verfassen und auch beim Unterzeichnen solcher Klauseln genau darauf geachtet werden, ob es sich um eine Gerichtstands- oder Rechtswahlklausel handelt. Auf der anderen Seite zeigt diese Entscheidung, dass die EuGVVO für die Gerichte der Mitgliedsstaaten weiterhin problemlos Anwendung findet, wodurch sich hier durch den Brexit keine Änderungen zeigen. Anders sieht das allerdings aus, wenn vor einem britischen Gericht geklagt wird. Denn die britischen Gerichte sind seit Vollzug des Austritts nicht mehr an die EuGVVO gebunden.