BGH XI ZR 35/24
AGB bzgl. Entgelt für Kreditablösung unwirksam

24.09.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.01.2025
XI ZR 35/24
BeckRS 2025, 872

Leitsatz | BGH XI ZR 35/24

Das bei einer Darlehensablösung von dem bisherigen Kreditinstitut in einer Vielzahl von Fällen von dem neuen Kreditinstitut geforderte Entgelt für den mit der Ablösung des Kredits verbundenen Aufwand ist als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen. Sie unterliegt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle und ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (Fortführung Senatsurteil vom 10. September 2019 – XI ZR 7/19, BGHZ 223, 130).

Sachverhalt | BGH XI ZR 35/24

Die Klägerin, eine Bank, forderte von der beklagten Sparkasse gezahlte Entgelte zurück, die zur Abwicklung von zwei Treuhandaufträgen im Zusammenhang mit der Ablösung grundpfandrechtlich gesicherter Darlehen geleistet worden waren. Im ersten Fall ging es um die Darlehensnehmerin X: Im Juni 2020 erkundigte sich die Klägerin bei der Sparkasse nach dem Ablösungsbetrag des laufenden Darlehens. Daraufhin kündigte die Sparkasse an, ein Treuhandentgelt von 200 EUR zu berechnen, falls die Ablösung unter Treuhandauflagen erfolge. Um Verzögerungen bei der Darlehensablösung zu vermeiden, überwies die Klägerin den Betrag ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

Ein vergleichbarer Ablauf ereignete sich beim Darlehensnehmer Y, bei dem die Sparkasse ein Treuhandentgelt von 3.083 EUR verlangte. Auch diesen Betrag zahlte die Klägerin vorsorglich, um die Abwicklung nicht zu behindern. Nach Angaben der Sparkasse werden derartige Entgelte bei rund 20 % der Darlehensablösungen erhoben.

Die Klägerin klagte auf Rückzahlung der insgesamt gezahlten 3.283 EUR zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen und begehrte hilfsweise, die Sparkasse zu verpflichten, ihre früheren Kunden von Ansprüchen wegen der geleisteten Zahlungen freizustellen. Sowohl das AG Ahrensburg als auch das LG Lübeck wiesen die Klage ab, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte jedoch Erfolg.

Entscheidung | BGH XI ZR 35/24

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das angefochtene Berufungsurteil wurde aufgehoben, und das amtsgerichtliche Urteil wurde geändert, sodass die Beklagte zur Rückzahlung der geltend gemachten Entgelte verurteilt wurde. Der Bundesgerichtshof stellte dabei fest, dass die streitige Entgeltregelung unwirksam ist, sodass die Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgten und ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB besteht.

Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob die vereinbarte Entgeltregelung als Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 BGB) zu beurteilen ist. Das Berufungsgericht hatte dies verneint, was der BGH jedoch als rechtsfehlerhaft ansah. Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Partei der anderen bei Abschluss des Vertrags stellt. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des BGH erfüllt: Die Entgeltregelung war vorformuliert und wurde von der Beklagten regelmäßig bei gleichartigen Verträgen verwendet. Die Höhe des Entgelts wird zwar individuell auf Basis der konkreten Umstände des Treuhandauftrags festgelegt, doch dies ändert nichts am Charakter der Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung, da die individuelle Anpassung lediglich eine unselbstständige Ergänzung darstellt.

Darüber hinaus hielt die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht stand. Das Berufungsgericht hatte sie fälschlicherweise als einfache Preisabrede behandelt, die einer Kontrolle entzogen sei. Der BGH stellte klar, dass es sich vielmehr um eine Preisnebenabrede handelt, die den Aufwand der Beklagten für die Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Darlehensnehmer auf die Klägerin abwälzt. Insbesondere betrifft dies die Tätigkeit der Beklagten bei der Abwicklung von Treuhandaufträgen im Zusammenhang mit der Rückgewähr von Sicherheiten, die diese im eigenen Interesse und im Rahmen ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber dem Darlehensnehmer erbringt.

Nach Auffassung des BGH ist eine solche Regelung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften unvereinbar. Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Tätigkeiten betreffen, zu denen der Verwender gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist oder die überwiegend in seinem eigenen Interesse erfolgen, verstoßen gegen Treu und Glauben (§ 307 BGB). Sie benachteiligen den Vertragspartner unangemessen, da der Kunde für Leistungen zahlen soll, die er rechtlich nicht schuldet und die bereits durch den Darlehenszins abgegolten sind. Auch das Argument, dass die Regelung Vorteile für den neuen Darlehensnehmer oder die übernehmende Bank bringe, konnte diese Unangemessenheit nicht rechtfertigen, da solche Vorteile lediglich die andere Seite der Pflicht zur Rückgewähr der Sicherheiten darstellen.

Das Berufungsurteil wurde damit aufgehoben, das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung der streitigen Entgelte verurteilt.

Praxishinweis | BGH XI ZR 35/24

Der BGH hat die bisherige Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Entgeltklauseln bestätigt und diese explizit auf den unmittelbaren Vertragskontext zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber angewendet (Schmidt, LMK 2025, 808766, beck-online). Insbesondere bei Preisnebenabreden in AGB, etwa für ein Treuhandentgelt, geht der Bankrechtssenat regelmäßig von deren Unwirksamkeit aus. Klauseln zwischen Unternehmen, insbesondere im Interbankenverkehr, werden dabei tendenziell nicht als wirksam anerkannt (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online).

Konkret entschied der BGH, dass die abgebende Bank kein gesondertes Treuhandentgelt von der übernehmenden Bank verlangen darf, da die Kosten der Treuhandabwicklung, wie etwa die Grundschuldübertragung, bereits durch den Kreditzins abgegolten seien (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online). Dabei berücksichtigt die Entscheidung nach Ansicht von Samhat nicht hinreichend, dass die Grundschuldübertragung auch im Interesse der übernehmenden Bank erfolgt. Praktisch könnte ein Kompromiss, wie eine anteilige Kostenbeteiligung, sinnvoll erscheinen, ist nach BGH jedoch unzulässig (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online).
Die Grundschuldübertragung stellt eine wirtschaftlich relevante Vorleistung der abgebenden Bank dar, da sie den reibungslosen Ablauf der Kreditablösung ermöglicht. Der BGH behandelt diese Leistung jedoch pauschal als Erfüllungspflicht gegenüber dem Kreditnehmer, was aus dogmatischer Sicht kritisch zu sehen ist (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online). Eine Kostenüberwälzung auf den Kreditnehmer erfolgt laut BGH nicht; die übernehmende Bank trägt die Kosten selbst oder berücksichtigt sie gegebenenfalls über den Zinssatz (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online).

Die Entscheidung enthält jedoch widersprüchliche Hinweise zum Kreditzins: Einerseits soll dieser alle Kosten einschließlich des Treuhandaufwands abdecken, andererseits ist eine Anpassung des Zinssatzes zur Kompensation des Treuhandentgelts unzulässig. Dies führt zu Unsicherheiten in der praktischen Kostenkalkulation der Banken (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online).

Für die Praxis ergibt sich damit Folgendes: Rechtlich besteht Klarheit, dass kein Treuhandentgelt für Kreditablösungen im Interbankenverkehr verlangt werden darf. Dogmatisch ist kritisch zu hinterfragen, dass die wirtschaftliche Leistung der abgebenden Bank kaum berücksichtigt wird. Praktisch müssen Kreditinstitute die Kosten selbst tragen oder über den Zinssatz kalkulieren, eine direkte Belastung des Kreditnehmers ist unzulässig. Zudem ist bei AGB-Klauseln Vorsicht geboten, da Preishauptabreden oder Nebenkostenregelungen im B2B-Bereich häufig unwirksam sind (Samhat, BKR 2025, 366, beck-online).

Zukünftig wird in weiteren Urteilen zu klären sein, wo der notwendige Annex-Charakter von Nebenabreden endet. Erst dann zieht das Klauselverdikt aus dem zugrunde liegenden Darlehensvertrag seine Grenze, sodass die strenge Unwirksamkeitskontrolle nicht unbegrenzt greift (Schmidt, LMK 2025, 808766, beck-online).