01.08.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Brandenburg
14.05.2025
4 U 76/24
NZG 2025, 928
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Zustimmung zu Landkaufverträgen [ PDF ]
(Leitsätze der NZG-Redaktion)
Der Kl. hält 3,466 % der Anteile an der Bekl., die einen Landwirtschaftsbetrieb betreibt. Weitere Gesellschafter sind Name 01, Name 02 und Name 03 mit jeweils 15,466 %, Name 04 sowie die Agrargenossenschaft Firma 01 mit jeweils 3,466 %, während die restlichen 43,194 % von der Bekl. selbst gehalten werden. Die drei Hauptgesellschafter (Name 01–03) beabsichtigten zunächst, ihre Anteile zu veräußern bzw. einen Generationenwechsel einzuleiten, und schlossen hierzu am 15. Mai 2020 mit dem – von Name 05 beratenen – Kl. und dessen Ehefrau, die als Vorstand für die Agrargenossenschaft Firma 02 handelten, eine „Absichtserklärung“. Diese sah im Zusammenhang mit dem geplanten Anteilsverkauf unter anderem den Verkauf von jeweils 30 ha Grün- und Ackerland an die drei Gesellschafter, den Abschluss entsprechender Pachtverträge sowie ein Rückkaufrecht der Bekl. im Falle eines Weiterverkaufs vor. Nachdem der Kl. seinen Anteil an der Bekl. erworben und das Amt des Geschäftsführers übernommen hatte, gaben die Hauptgesellschafter das Vorhaben jedoch auf. In der Gesellschafterversammlung vom 11. Mai 2021 wurde der Kl. als Geschäftsführer abberufen; zudem beschlossen die Gesellschafter gegen seine Stimme den Verkauf von jeweils 20 ha Land im Verhältnis 1:2 an Name 01, Name 02 und Name 03 „zum aktuellen Bodenrichtwert“ und machten den Inhalt der Kaufverträge zustimmungspflichtig. In der Gesellschafterversammlung vom 27. August 2021 fassten die Gesellschafter – erneut gegen die Stimmen des Kl. – Beschlüsse über den Verkauf der Grundstücke an die drei Hauptgesellschafter mit Kaufpreisen zwischen rund 159.000 € und 159.700 € sowie gleichlautenden Pachtverträgen über 12 Jahre zu 150 €/ha. Gegen diese Beschlüsse erhob der Kl. am 22. September 2021 Klage, die der Bekl. am 1. Oktober 2021 zugestellt wurde. Das LG Potsdam holte ein Sachverständigengutachten ein und stellte mit Urteil vom 28. Juni 2024 die Nichtigkeit der Beschlüsse vom 27. August 2021 fest. Gegen das der Bekl. am 1. Juli 2024 zugestellte Urteil legte diese Berufung ein.
Die Berufung war zulässig, aber unbegründet und hatte somit keinen Erfolg.
Das Gericht verneint zunächst das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes i.S.d. § 241 AktG analog. Die vom Kläger geltend gemachten Einberufungsmängel waren teils keine wesentlichen Mängel, teils nach § 51 III GmbHG i.V.m. der Satzung geheilt, da sämtliche Gesellschafter anwesend waren und der Versammlung zumindest konkludent zugestimmt hatten. Auch die behaupteten Informationsdefizite trugen nicht, da die maßgeblichen Vertragsentwürfe ordnungsgemäß ausgelegt worden waren und keine substantiierten Anhaltspunkte für eine Vorenthaltung entscheidungserheblicher Informationen bestanden. Ein Verstoß gegen § 241 Nr. 3 oder Nr. 4 AktG analog lag ebenfalls nicht vor, da weder eine Unvereinbarkeit mit dem Wesen der GmbH noch ein sittenwidriger Beschlussinhalt festgestellt werden konnte.
Demgegenüber hatte die Klage als Anfechtungsklage Erfolg. Sie war fristgerecht erhoben (§ 8 Nr. 3 der Satzung i.V.m. § 167 ZPO) und konnte auf § 243 II 1 AktG analog gestützt werden. Mit den Beschlüssen über den Verkauf von Grundstücken an die drei Hauptgesellschafter zu unterhalb des Verkehrswertes liegenden Kaufpreisen wurde diesen ein unzulässiger Sondervorteil gewährt. Nach dem Sachverständigengutachten lagen die Marktwerte bei ca. 1,01 €/m² (Ackerland) bzw. 0,70 €/m² (Grünland), die vereinbarten Kaufpreise hingegen bei 0,88 €/m² bzw. 0,64 €/m². Diese Abweichung stellt eine sachwidrige Bevorzugung dar, die bei einem Drittverkauf nicht akzeptiert worden wäre, und bewirkte einen Vermögensnachteil der Gesellschaft.
Die Hauptgesellschafter handelten dabei mit Vorsatz. Insbesondere der geschäftsführenden Gesellschafterin waren die gestiegenen Bodenrichtwerte bekannt, und sie nahm den unterwertigen Verkauf in Kauf, um sich und den beiden weiteren Hauptgesellschaftern den Sondervorteil zu verschaffen. Dass mit dem Verkauf zugleich Liquidität für die Gesellschaft generiert werden sollte, änderte an der rechtlichen Qualifikation nichts.
Bei Grundstücksverkäufen an Gesellschafter ist eine sorgfältige Festsetzung des Kaufpreises essenziell. Bereits moderate Unterschreitungen des gutachterlich ermittelten Verkehrswerts können eine Anfechtbarkeit nach § 243 II AktG analog begründen, wenn dadurch ein unzulässiger Sondervorteil gewährt wird. Daher sollten vor Beschlussfassung stets belastbare Verkehrswertermittlungen eingeholt und dokumentiert werden. Formmängel bei der Einberufung, wie fehlerhafte Adressierung oder fehlender Einschreibebrief, führen nicht automatisch zur Nichtigkeit, sofern alle Gesellschafter anwesend sind und dem Beschluss zustimmen. Dennoch empfiehlt sich eine satzungs- und gesetzeskonforme Einladung, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Ein unter dem Verkehrswert liegender Verkaufspreis begründet keine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 241 Nr. 4 AktG analog, es sei denn, es liegt ein besonders grobes Missverhältnis vor (rund doppelte Differenz). Liegt die Abweichung darunter, kann jedoch eine Anfechtung wegen eines unzulässigen Sondervorteils nach § 243 II AktG analog erfolgen, sofern Vorsatz gegeben ist und die begünstigten Gesellschafter den Vorteil bewusst anstreben.