01.10.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Schleswig
10.07.2025
12 U 12/24
BeckRS 2025, 18374
Der Kläger verlangte vom Beklagten die Auflassung und Eintragung als Eigentümer einer Wohnung im Grundbuch. Der Beklagte wehrte sich dagegen und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag; hilfsweise verlangte er die Räumung der Wohnung.
Die Parteien hatten 2017 einen notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag über einen Wohnungseigentumsanteil mit Rohbau für 179.000 € geschlossen. Der Kläger zahlte rund 170.000 €, zog in die Wohnung ein und rügte später Mängel. Der Beklagte bestritt diese, erklärte den Rücktritt und forderte die Wohnung zurück.
Das Landgericht entschied zugunsten des Klägers: Der Kaufvertrag sei wirksam beurkundet und nicht durch eine angebliche Zusatzvereinbarung über schlüsselfertige Fertigstellung ergänzt worden. Ein Rücktritt des Beklagten scheide aus, da der Restkaufpreis von 5 % unerheblich sei (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Außerdem dürfe der Kläger den offenen Betrag wegen der geltend gemachten Mängel zurückbehalten. Die Widerklage des Beklagten auf Räumung blieb erfolglos, da der Kläger ein Recht zum Besitz hat.
In der Berufung trug der Beklagte erneut vor, es habe doch eine (nicht beurkundete) Zusatzvereinbarung über schlüsselfertigen Ausbau für weitere 50.000 € gegeben, die aus seiner Sicht zur Nichtigkeit des Vertrags führe. Zudem forderte er, dass der Kläger nur Zug um Zug gegen Zahlung des Restbetrags Eigentum erhalte. Der Kläger hielt dem entgegen, dass es keine solche Vereinbarung gegeben habe und er wegen bestehender Mängel ein Zurückbehaltungsrecht habe.
Das OLG Schleswig musste somit insbesondere klären, ob tatsächlich eine einheitliche, aber formnichtige Absprache über schlüsselfertige Erstellung vorlag, ob der Rücktritt wirksam war und ob das Zurückbehaltungsrecht des Klägers die fehlende Restzahlung rechtfertigt.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I. Klage
Zunächst ist die Klage des Klägers zulässig und begründet.
Das OLG Schleswig bestätigte den Anspruch des Klägers auf Eigentumsübertragung an Grundstück und Eigentumswohnung aus dem notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag vom 02.06.2017 gemäß § 433 Abs. 1 BGB. Der Vertrag, der Grundstücksübertragung und Rohbau umfasst, kam formgerecht nach § 311b BGB zustande und ist wirksam. Ein weiterer Vertrag über die Fertigstellung der Wohnung zu einem Festpreis von 50.000 € wurde vom Beklagten nicht nachgewiesen; die ergänzende Zeugenbefragung bestätigte, dass Sonderleistungen individuell von den Eigentümern vergeben wurden. Selbst bei Annahme eines zusätzlichen Vertrags hätte ein Verknüpfungswille gefehlt, sodass eine notarielle Beurkundung nicht erforderlich gewesen wäre.
Das Gericht stellte weiter klar, dass der Beklagte sich nicht wirksam auf die Formnichtigkeit berufen kann, da er den Bauträgervertrag über den Rohbau akzeptierte, die Leistungen durchführte und erst später die Form beanstandete, was treuwidrig ist. Auch eine Schwarzgeldabrede führt nicht automatisch zur Nichtigkeit des Vertrags, da der eigentliche Leistungsaustausch ernsthaft gewollt war.
Ein Rücktritt des Beklagten wegen unvollständiger Kaufpreiszahlung scheiterte, da der Einbehalt von 8.950 € im Verhältnis zur erbrachten Leistung unerheblich war. Mängelbeseitigungsansprüche des Klägers begründen ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB, und nach § 162 Abs. 1 BGB wird die Kaufpreiszahlung fingiert, da der Beklagte die festgestellten Mängel am erhöhten Schallschutz nicht beseitigte. Die Kosten für Nachbesserungen von rund 24.700 € decken den noch offenen Kaufpreis deutlich.
Das OLG folgte der Bewertung des Landgerichts, dass der Beklagte durch die Nichtbeseitigung der Mängel die Bedingung für die Eigentumsübertragung treuwidrig verhindert hat. Das Interesse des Klägers an der Eigentumsumschreibung überwiegt, sodass die Klage auf Auflassung und Eintragung als Eigentümer im Grundbuch begründet war.
II. Widerklage
Die vom Beklagten hilfsweise eingereichte Widerklage ist hingegen zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat sie zu Recht abgewiesen. Der Beklagte kann weder Räumung noch Herausgabe verlangen, weil der Bauträgervertrag nicht nichtig ist (§§ 311b, 125 BGB) und der Kläger ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB hat.
Auch ein Rücktritt wegen unvollständiger Kaufpreiszahlung (§§ 634 Nr. 3, 636 BGB) ist ausgeschlossen, da der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht wegen festgestellter Mängel nach § 641 Abs. 3 BGB geltend machen kann. Somit ist der Anspruch des Beklagten unbegründet.
III. Ergebnis
Der Kläger hat Anspruch auf die Eigentumsübertragung der Wohnung und deren Eintragung im Grundbuch. Der Beklagte kann hingegen nicht die Räumung und Herausgabe der Wohnung gegen Zahlung von 170.050 € verlangen, auch nicht im Rahmen seiner hilfsweisen Widerklage.
Das Urteil des OLG Schleswig verdeutlicht einmal mehr die erhebliche Bedeutung der Formvorschriften beim Bauträgervertrag. Da Kauf- und Werkleistung hier regelmäßig eine untrennbare Einheit bilden, unterliegt der gesamte Vertrag der notariellen Beurkundungspflicht (§ 311b Abs. 1 BGB). Formverstöße führen grundsätzlich zur Gesamtnichtigkeit (§ 125 BGB), was für die Vertragsparteien gravierende Risiken birgt. Für die anwaltliche Beratung bedeutet dies, dass bereits vermeintlich untergeordnete Nebenabreden zwingend in die notarielle Urkunde aufgenommen werden müssen.
Kommt es daneben zu mehreren rechtlich selbständigen Verträgen (z.B. gesonderter Rohbau- und Ausbauvertrag), ist auf den Verknüpfungswillen der Parteien abzustellen. Nur wenn der Grundstückskaufvertrag von dem weiteren Vertrag abhängig sein soll, besteht eine Mitbeurkundungspflicht. Hier trägt diejenige Partei die Darlegungs- und Beweislast, die sich auf die Nichtigkeit beruft.
Praktisch bedeutsam ist zudem die Einschränkung des Grundsatzes: Die Berufung auf Formnichtigkeit kann ausnahmsweise treuwidrig sein (§ 242 BGB), etwa wenn ein Irrtum über die Formbedürftigkeit schuldhaft vom Vertragspartner verursacht wurde oder wenn der Unternehmer trotz Kenntnis des Formmangels die Bauleistung vollständig erbracht hat.
Für die Vertragsgestaltung ist ferner zu beachten, dass ein Rücktritt des Verkäufers bei nur geringfügigen Kaufpreisrückständen regelmäßig ausscheidet (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Zudem steht die Eintragung des Käufers als Eigentümer nicht ausstehender Restzahlung entgegen, wenn dieser wegen Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann.
Daher sollten Bauträger- und Grundstücksverträge in der Praxis stets ganzheitlich beurkundet werden; eine getrennte Gestaltung birgt erhebliche Form- und Nichtigkeitsrisiken. Zugleich ist bei Auseinandersetzungen die Treuwidrigkeitseinrede zu berücksichtigen, um missbräuchliche Berufungen auf Formverstöße abzuwehren.