22.11.2012
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
20.04.2018
II R 51/11
DStR 2012, 1342
Anwendung des § 16 II GrEStG bei Erwerbsvorängen nach § 1 II a GrEStG [ PDF ]
1. Die nach Übergang von mindestens 95 % der Anteile an einer Personengesellschaft mit inländischen Grundbesitz auf einen Neugesellschafter fällige Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 2a GrEStG), wird nicht festgesetzt bzw. die Steuerfestsetzung wird aufgehoben, wenn Anteile am Gesellschaftsvermögen vom neuen Gesellschafter auf den alten Gesellschafter ganz oder teilweise zurückübertragen werden und infolgedessen der Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist.
2. Die Anzeige eines solchen Erwerbsvorgangs ist nur dann ordnungsgemäß (§ 16 Abs. 5 GrEStG), wenn ihr unter anderem diejenigen Rechtsvorgänge eindeutig und vollständig entnommen werden können, die den für die obige Steuererhebung (Leitsatz 1) zu erfüllenden Tatbestand ausgelöst oder zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben. Grundstücksbezogene Angaben sind dabei nicht erforderlich.
3. Enthält die Anzeige keine oder nur unvollständige Angaben über die maßgeblichen Rechtsvorgänge, erlangt aber das Finanzamt innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen oder von dritter Seite vollständige Kenntnis von diesen Vorgängen, steht der Aufhebung oder Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer die nicht ordnungsgemäße Anzeige nicht entgegen.
D und M waren die einzigen Gesellschafter der hier behandelten Personengesellschaft. Der D übertrug seinen gesamten Gesellschaftsanteil am 15. Mai 2009 auf den M und schied aus der Gesellschaft aus. Die Vertragsurkunde der Anteilsübertragung sandte der beurkundende Notar mit einem Kurzbrief am 27. Mai 2009 an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts. Dieses wies die Gesellschaft daraufhin auf den durch die Anteilsübertragung verwirklichten Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG hin und forderte diesbezüglich eine Aufstellung ihres Grundbesitzes an. Dem kam die Gesellschaft nicht nach. Das Finanzamt setzte daraufhin, für den durch die Anteilsübertragung bewirkten vollständigen Gesellschafterwechsel, gegen die Gesellschaft Grunderwerbsteuer fest. Darauffolgend hoben D und M mittels Vertrag vom 20. Oktober 2010 die Übertragung des Anteils auf M teilweise und rückwirkend bezüglich eines Anteils von 6 % auf, wodurch D nun mit 6 % und M mit 94 % an der Gesellschaft beteiligt war. Der darauffolgende Einspruch und die diesbezügliche Klage vor dem Finanzgericht, mit dem Begehren der Aufhebung der Steuerfestsetzung (gem. § 16 Abs. 2 GrEStG), blieben ohne Erfolg.
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids, da das Finanzgericht laut Bundesfinanzhof fälschlich angenommen hatte, dass die Teilrückabwicklung der Anteilsübertragung auf M gemäß Vertrag vom 20. Oktober 2010 nicht die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG erfülle. Durch Übertragung der Beteiligung des D auf M gemäß Vertrag vom 15. Mai 2009, waren sämtliche und damit mehr als 95% der Anteile an der Gesellschaft innerhalb von weniger als fünf Jahren auf den M übergegangen, was den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt und als ein auf die Übereignung eines Grundstückes auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft gilt. Die Steuerfestsetzung für diesen Vorgang war jedoch aufzuheben, da durch den Vertrag vom 20. Oktober 2010 bewirkt wurde, dass M nur noch mit 94 % am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt war (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Darin ist ein begünstigter Rückerwerb durch die „Altgesellschaft“ zu sehen, da innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer eine Änderung des Gesellschafterbestandes der Klägerin auf die nicht steuertatbestandsmäßige Größe von 94 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen beschränkt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass der auf M übertragene Anteil nur teilweise auf D zurückübertragen wurde, da die Norm nicht den Rückerwerb sämtlicher Anteile voraussetzt und es vollkommen ausreicht, wenn im Ergebnis des Rückerwerbs ein Übergang von weniger als 95 % erfolgt. Der steuerbefreiende Tatbestand des § 16 Abs. 2 GrEStG bestimmt weiterhin, dass eine möglicherweise einschlägige Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a GrEStG sowohl für den ersten Anteilsübergang, als auch ausdrücklich für den Rückerwerb aufzuheben bzw. eine Steuer nicht festzusetzen ist. Dies ist im vorliegenden Fall völlig unstrittig, da der Rückerwerb lediglich einen Anteil von 6 % betrifft und daher nicht die Besteuerungsvoraussetzungen erfüllt. Weiterhin ist es auch ohne Bedeutung, ob D aufgrund des Vertrages vom 15. Mai 2009 seine Eigenschaft als Altgesellschafter endgültig verloren hatte und durch den Rückerwerb eines Anteils in Höhe von 6 % Neugesellschafter geworden ist. Der BFH stellt in seiner weiteren Begründung klar, dass der Anwendung der steuerbefreiend wirkenden Norm, die Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anzeige des Erwerbsvorganges aus § 16 Abs. 5 GrEStG nicht entgegensteht. Eine Anzeige ist dabei ordnungsgemäß, wenn der Vorgang innerhalb der Anzeigefrist der §§ 18 Abs. 3 und 19 Abs. 3 GrEStG (zwei Wochen nach der Beurkundung oder der Unterschriftsbeglaubigung oder der Bekanntgabe der Entscheidung bzw. zwei Wochen nachdem die Anzeigepflichtigen von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten haben) dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG vollständig überprüfen kann. Eine solche Anzeige setzt jedoch unter Berücksichtigung des Übermaßverbots nicht voraus, dass die Anzeige auch die der Gesellschaft gehörenden Grundstücke bezeichnet. Das Finanzamt ist in einem derartigen Fall in der Lage, sich die entsprechenden Informationen, aufgrund des übrigen Anzeigeninhalts mittels eigener Ermittlungsmaßnahmen zu beschaffen, wobei die Möglichkeit zu einer solchen Ermittlung durch die Anzeige selbst geschaffen wird. Im vorliegenden Fall genügt laut BFH die vom beurkundenden Notar versandte Kurzmitteilung nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige, da lediglich eine Abschrift der notariellen Urkunde vom 15. Mai 2009 übersandt wurde und weder aus der Kurzmitteilung noch aus dem Inhalt der notariellen Urkunde ersichtlich war, dass aufgrund der Übertragung des Anteils von D auf M und unter Zusammenschau mit den Anteilserwerbungen des M innerhalb von fünf Jahren sämtliche Anteile der Gesellschaft auf denselben übergegangen waren. Das Finanzamt erlangte jedoch innerhalb der Anzeigefrist ausreichende Kenntnis der maßgebenden Umstände durch den übersandten Vertrag und eigene Ermittlungen, was durch das bereits einen Tag nach Eingang der Kurzmitteilung versandte Schreiben vom 28. Mai 2009 bewiesen ist, indem das Finanzamt auf den verwirklichten Steuertatbestand hinwies und eine Aufstellung des Grundbesitzes forderte. Aus diesem Ablauf ist ersichtlich, dass das Finanzamt aufgrund der Kurzmitteilung das Vorliegen eines Erwerbsvorganges erkannt hatte. Damit wurde im Ergebnis der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG, die hinreichende Information des Finanzamts, erreicht und die Steuerbefreiung auf Antrag nach § 16 Abs. 2 GrEStG damit anwendbar.