29.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
04.07.2024
22 U 26/24
BeckRS 2024, 23938
Asbesthaltiges Dach nicht zwingend ein Sachmangel & Notarklauseln in der Regel keine AGB [ PDF ]
Die Klägerin und ihr Ehemann kauften von den Beklagten das streitgegenständliche Hausgrundstück. Im notariellen Kaufvertrag vom 19.01.2021 wurde die Gewährleistung ausgeschlossen. Vor dem Landgericht forderte die Klägerin Schadensersatz von den Beklagten wegen fehlender Aufklärung über die asbesthaltige Mansardendacheindeckung und die Entfernung einer tragenden Wand im Wohnzimmer sowie wegen arglistigen Verschweigens eines schon länger bestehenden Wasserschadens im Dachbereich. Die Beklagten bestritten eine Kenntnis über den Wasserschaden und behaupteten, die Klägerin über den Asbestgehalt und den Wanddurchbruch informiert zu haben. Sie seien außerdem davon ausgegangen, dass die entfernte Wand keine tragende gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge vollständig weiter.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 433, 434 a.F., 437, 280, 281 BGB.
Hinsichtlich der Asbestbelastung der Dachschindeln liegt bereits kein Sachmangel vor, da keine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 a.F. BGB getroffen wurde. Außerdem geht die berechtigte Beschaffenheitserwartung nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a.F. BGB bei einem Haus mit dem Baujahr des streitgegenständlichen nicht dahin, dass die Dacheindeckung in jedem Fall kein Asbest enthält. Denn selbst ein Haus mit asbesthaltigen Dachschindeln ist noch für die gewöhnliche Verwendung als Wohnhaus geeignet. Auch wenn Asbest ein abstraktes Gefährdungspotential innewohnt, ist für einen Sachmangel lediglich entscheidend, ob auch eine ernsthafte Gefahr des Austretens der Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potential im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts besteht. Die erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit eines Wohngebäudes besteht dabei auch dann, wenn übliche Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden können, da in diesen Fällen ein Verkäufer damit rechnen muss, dass (Laien-)Heimwerker ohne Kenntnis von den gefährlichen Stoffen mit diesen in Berührung kommen.
Bei der vorliegenden Mansardendacheindeckung besteht eine solche Gefahr jedoch nicht, da dieses nur mit einem Gerüst verkehrssicher zu erreichen ist und Handwerkerarbeiten, die eine Freisetzung von Asbest mit sich bringen könnten, nicht zu erwarten sind. Eine erhöhte Asbestfaserbelastung im Haus ergibt sich daraus ebenfalls nicht, da Asbest in Eternitplatten stark gebunden ist und erst durch mechanische Beanspruchung gelöst und gesundheitlich kritisch werden kann. Allein das Öffnen von Fenstern oder schlichtes Berühren der Schindeln mit der Hand ist offenkundig unkritisch.
Selbst wenn man hier einen Sachmangel unterstellen würde, so griffe der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss. Zwar kann unterstellt werden, dass der beurkundende Notar diesen für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, jedoch wurde nicht dargetan, dass die Beklagten diese Klausel gestellt und die vorformulierten Vertragsbedingungen mehrfach einsetzen wollten. Werden Formularklauseln von einem Dritten formuliert, muss eine der Vertragsparteien sich diese erst dann zurechnen lassen, wenn sie den Dritten vorab mit der Formulierung der Vertragsklausel beauftragt hatte und die Klausel auf ihre Veranlassung später in den Vertrag aufgenommen wurde. Werden die Bedingungen von einem neutralen Dritten, wie von einem Notar, formuliert, so kann die Zurechnung zu einer Vertragspartei ganz entfallen, da der Vorschlag des beurkundenden Notar eine Verwendung durch eine Vertragspartei auch dann nicht begründet, wenn die entsprechende Klausel von dem Notar immer wieder verwendet wird. In notariellen Verträgen enthaltene Klausel über Bestandsimmobilien sind daher in der Regel nicht als AGB nach § 305 Abs. 1 BGB anzusehen.
Die Klägerin hat darüber hinaus auch nicht bewiesen, dass die Aufklärung arglistig nicht vorgenommen wurde und sich die Beklagten daher nach § 444 BGB nicht auf den Gewährleistungsausschluss berufen könne. Der (übliche) Gewährleistungsausschluss ändert nichts an der Darlegungs- und Beweislast. Die Klägerin muss grundsätzlich weiterhin beweisen, dass die Versicherung des Verkäufers, dass ihm nicht offenbarte versteckte Mängel nicht bekannt sind, falsch war. Die Formulierung („Arglistprobe“) dient lediglich dazu, dem Verkäufer vor Augen zu führen, dass er den Käufer über nicht ohne weiteres erkennbare Mängel von Gewicht aufklären muss. Dieser Beweislast über die fehlende Aufklärung ist die Klägerin jedoch nicht nachgekommen.
Das Urteil zeigt, dass nicht jeder Mangel an einer Immobilie automatisch auch einen Anspruch auf Schadensersatz begründet, solange das Gebäude weiterhin seinem Zweck entsprechend genutzt werden kann. Das OLG Hamm folgt damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, welcher einen Sachmangel ebenfalls erst bei der ernsthaften Gefahr des Austretens gesundheitsgefährdender Stoffe im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts angenommen hat (BGH, Urteil vom 27.03.2009 – V ZR 30/08). Käufer sollten daher beim Immobilienkauf auch auf das Baujahr achten und sich bewusst machen, dass besonders ältere Immobilien nicht automatisch modernen Standards entsprechen.
Für die Verkäuferseite stärkt das Urteil die Verwendung von Gewährleistungsausschlüssen und enthält eine wichtige Klarstellung im Hinblick auf die (in der Regel fehlende) Qualifizierung von Notarklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB.