21.08.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
16.05.2025
V ZR 270/23
BeckRS 2025, 15443
Bauliche Veränderungen durch den Bauträger in der Errichtungsphase [ PDF ]
Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und haben ihre Wohnungen von der Beklagten, einer Bauträgerin, gekauft. Die Beklagte hat während der Bauphase in eine von ihr verpachtete Gewerbeeinheit (Restaurant) mehrere technische Anlagen eingebaut (u.a. Lüftung, Kühlgerät, Gastank), die teilweise das Gemeinschaftseigentum betreffen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wohnungen der Kläger bereits mit Auflassungsvormerkungen gesichert, teilweise hatten sie schon Besitz erlangt. Später unterschrieben zwei Kläger ein Abnahmeprotokoll. Im Jahr 2019 klagten sie auf Beseitigung der eingebauten Anlagen. Während das AG Neuruppin die Klage abwies, gab das LG Frankfurt (Oder) in der Berufung den Klägern recht. Die Beklagte legte Revision beim BGH ein.
Der BGH stellt klar, dass das Berufungsurteil des LG einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhält.
Zunächst war die Berufung des Klägers zu 1 gegen das Urteil des AG unzulässig. Das AG hatte die Klage auch deshalb abgewiesen, weil der Kläger zu 1 zum Zeitpunkt der Einbauten noch keinen Besitz an seiner Wohnung hatte und deshalb gar nicht berechtigt war, den Anspruch geltend zu machen. Diese Begründung hat der Kläger in seiner Berufung nicht angegriffen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Berufung aber nur dann zulässig, wenn sie alle selbstständig tragenden Gründe der ersten Instanz angreift – das war hier nicht der Fall.
Die Berufungen der Kläger zu 2 und 3 waren hingegen zulässig, aber unbegründet. Zwar waren sie grundsätzlich prozessführungsbefugt, weil das Verfahren bereits vor dem 1. Dezember 2020 – also vor der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEMoG) – eingeleitet wurde. Daher konnten sie auch nach diesem Stichtag noch selbst Ansprüche geltend machen, solange keine gegenteilige Erklärung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) vorlag.
Ein Anspruch auf Beseitigung der eingebauten technischen Anlagen durch die Bauträgerin bestand aber dennoch nicht. Denn die Einbauten erfolgten im Rahmen der Errichtung der Wohnanlage. Solche Maßnahmen sind keine baulichen Veränderungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, sondern Bestandteil der erstmaligen Herstellung des Gebäudes. Selbst wenn von der ursprünglichen Planung abgewichen wurde, liegt darin keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums, sondern – wenn überhaupt – ein werkvertraglicher Mangel. Solche Mängel begründen aber keine wohnungseigentumsrechtlichen Beseitigungsansprüche, sondern müssen gesondert im Rahmen vertraglicher Ansprüche geltend gemacht werden – was hier nicht geschehen ist.
Die Beklagte handelte bei den Einbauten also noch als Bauträgerin im Rahmen ihrer Bauverpflichtungen und nicht in ihrer Rolle als Wohnungseigentümerin. Deshalb war sie nicht verpflichtet, vorab die Zustimmung der übrigen (werdenden) Wohnungseigentümer einzuholen.
Die Entscheidung des BGH bietet wichtige Orientierungspunkte für die rechtliche Einordnung von baulichen Maßnahmen in der Entstehungsphase einer Wohnungseigentumsanlage. Für die Praxis ist zunächst hervorzuheben, dass sogenannte werdende Wohnungseigentümer – also Erwerber mit einer verfestigten Rechtsposition (z. B. Auflassungsvormerkung und Besitzübergabe) – im Innenverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Eintragung im Grundbuch durch das Wohnungseigentumsrecht geschützt sein können. Gleichwohl sind solche Ansprüche seit dem Inkrafttreten des WEMoG am 1. Dezember 2020 grundsätzlich von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend zu machen (§ 9a Abs. 2 WEG n.F.).
Zugleich stellt der BGH klar, dass der teilende Bauträger bei der Errichtung der Anlage nicht als Wohnungseigentümer im Sinne des WEG handelt, sondern als Werkunternehmer gegenüber den Erwerbern. Abweichungen von der Baubeschreibung oder Teilungserklärung während der Bauphase sind daher – selbst, wenn sie das gemeinschaftliche Eigentum betreffen – keine baulichen Veränderungen im Sinne des § 22 WEG a.F. bzw. § 20 WEG n.F., sondern werkvertraglich zu bewerten. Ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB scheidet insoweit aus. Die Erwerber sind in solchen Fällen auf vertragliche Ansprüche, insbesondere auf Nacherfüllung, zu verweisen.
Für die Praxis ergibt sich daraus ein hoher Sorgfaltsmaßstab bei der Bewertung, ob das Verhalten des Bauträgers noch der werkvertraglichen Errichtungspflicht zuzuordnen ist oder ob er bereits als Wohnungseigentümer im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes handelt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bauträger weiterhin Eigentümer einzelner Einheiten ist.