26.07.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
23.11.2023
15 W 231/23
NJW-RR 2024, 215
Die Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens kann zum Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemacht werden (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung und Anschluss an OLG Hamburg 05.12.2018 – 2 W 95/18, BeckRS 2018, 50973 und KG 12.08.2021 – 19 W 82/21, BeckRS 2021, 49118).
Am 05.03.2018 errichte Erblasserin E unter Aufhebung aller zuvor getroffenen letztwilligen Verfügungen ein Einzeltestament. In diesem benannte sie die W-GmbH als ihre Erbin und berief die Beteiligte B als ihre Testamentsvollstreckerin. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, entband die Erblasserin die Testamentsvollstreckerin „soweit zulässig, von allen gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB“ und bestimmte, dass die Testamentsvollstreckerin in Bezug auf die Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass keinen Beschränkungen unterliegt.
Am 12.04.2023 erklärte B gegenüber dem AG Essen – dem Nachlassgericht – die Annahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin. Mittels notarieller Urkunde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.05.2023, beantragte B die Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, mit dem Inhalt, dass der Testamentsvollstrecker in Bezug auf die Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt und von den Einschränkungen des § 181 BGB befreit ist.
Das AG lehnte den Antrag auf Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses ab, da die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufgenommen werden könne. B legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem OLG Hamm zur Entscheidung vor.
Die Beschwerde hat Erfolg und führt zur Abänderung des Beschlusses des AG. Nach Auffassung des OLG Hamm liegen die Voraussetzungen für die antragsgemäße Erteilung des von der Beteiligten beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses vor.
Gemäß § 2368 BGB sei dem Testamentsvollstrecker auf Antrag ein Zeugnis über seine Ernennung zu erteilen. Beschränkungen des Testamentsvollstreckers in der Verwaltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt sein soll, seien gem. § 354 Abs. 2 FamFG in das Zeugnis aufzunehmen. Weitere ausdrückliche Vorgaben zur inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses regele das Gesetz nicht. Gemäß allgemeinen Grundsätzen seien jedoch im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs alle Abweichungen von der üblichen Rechtsmacht eines Testamentsvollstreckers im Zeugnis anzugeben, sofern sie für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten von Bedeutung sind.
Das AG habe den Antrag der beteiligten Partei abgelehnt, da es – wie der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung – die Aufnahme der Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB für nicht aufnahmefähig hielt. Allerdings gebe der Senat seine bisherige Rechtsprechung auf. Die durch den Erblasser angeordnete Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB sei in das Testamentsvollstreckerzeugnisses aufzunehmen.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung bestehe Uneinigkeit darüber, ob eine Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen gemäß § 181 BGB in ein Testamentsvollstreckerzeugnis aufgenommen werden kann. Als Begründung seiner bisherigen Rechtsprechung habe der Senat angeführt, dass das Testamentsvollstreckerzeugnis als Ausweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtsverkehr mit Dritten diene und daher bei einem Insichgeschäft keine Wirkung entfalten könne. Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung schließe sich der Senat des OLG Hamm nun der Auffassung des OLG Hamburg (v. 05.12.2018 – 2 W 95/18) und des KG (v. 12.08.2021 – 19 W 82/21) an.
Zur Begründung führt das OLG Hamm aus, dass es insbesondere zutreffend sei, dass eine Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB im Rechtsverkehr mit Dritten von Bedeutung sein könne. So diene die Aufnahme dieser Befreiung bei Insichgeschäften als Nachweis der Verfügungsbefugnis gegenüber dem Grundbuchamt und dem Handelsregister. Die Vermutung der Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses und seine Nachweisfunktion gem. § 2368 S. 2, § 2365 BGB gälten allgemein und insbesondere auch gegenüber dem Grundbuchamt gem. § 35 Abs. 2 GBO. Des Weiteren seien die Beschränkungen des § 181 BGB nicht nur für den Fall des Insichgeschäfts von Bedeutung, sondern auch für den der Doppelvertretung gemäß § 181 Alt. 2 BGB. In dieser Konstellation existiere ein schützenswerter Dritter in Form eines weiteren Vertretenen. Zusätzlich könne die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens in Fällen, in denen ein Testamentsvollstrecker selbst eine Vollmacht unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt, erheblich sein. Auch in solchen Konstellationen habe der Rechtsverkehr ein schützenswertes Interesse daran festzustellen, ob der Testamentsvollstrecker hierzu befugt ist.
Das OLG Hamm schließt sich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der Auffassung des OLG Hamburg und des KG an und nimmt Bezug auf die dortige Begründung. Die gegenteilige Auffassung vertreten etwa das OLG Köln (v. 21.11.2012 – 2 Wx 214/12), das OLG Düsseldorf (v. 14.08.2013 – I-3 Wx 41/13), das OLG München (v. 16.11.2017 – 34 Wx 266/17) und das OLG Saarbrücken (v. 17.01.2023 – 5 W 98/22). In Anbetracht dieser uneinheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung scheint eine Stellungnahme durch den BGH erforderlich.
Das OLG Hamm hat zutreffend dargelegt, dass die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot erhebliche Bedeutung gegenüber Dritten und für den gesamten Rechtsverkehr hat, insbesondere für den Nachweis der Verfügungsbefugnis gegenüber Grundbuchamt und Handelsregister. Diese Aufnahme der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in das Testamentsvollstreckerzeugnis führt im Gegensatz zur Gegenauffassung, welche lediglich die Nachweispflichten gegenüber dem Grundbuchamt hinsichtlich der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbots absenkt, zu einer Verfahrenserleichterung, mehr Rechtssicherheit und Transparenz.