BFH II R 43/22
BFH erlaubt Abzug von Lager- und Verwertungskosten als Nachlassverbindlichkeiten

01.10.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
21.08.2024
II R 43/22
DStR 2024, 2812

Leitsatz | BFH II R 43/22

  1. Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen, um die testamentarisch jedem Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen.
  2. Die Öffentlichkeit kann auch bei (teilweiser) Durchführung einer mündlichen Verhandlung mittels Bild- und Tonübertragung von einem anderen Ort nur im Gerichtssaal, nicht aber an dem anderen Ort hergestellt oder ausgeschlossen werden.
     

Sachverhalt | BFH II R 43/22

Im entschiedenen Fall war die Klägerin Miterbin nach einer im Jahr 2017 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin hatte testamentarisch verfügt, dass einzelne Erben bestimmte Geldbeträge aus dem Nachlass erhalten sollten. Um diese Geldbeträge zu erzielen, mussten bewegliche Nachlassgegenstände zunächst eingelagert und anschließend durch eine Kunstexpertin gesichtet und durch einen Testamentsvollstrecker versteigert werden.

Das Finanzamt verweigerte jedoch die Anerkennung der dafür entstandenen Kosten (Lagergebühren und Honorar der Expertin) als Nachlassverbindlichkeiten. Nach Ansicht der Behörde handelte es sich um Kosten der Nachlassverwaltung, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig seien.

Entscheidung | BFH II R 43/22

Der BFH widersprach dieser Auffassung, welche das FG Köln ebenfalls vertreten hat. Er stellt klar, dass Aufwendungen, die im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft entstehen, zu den abzugsfähigen Nachlassregelungskosten zählen. Entscheidend sei, dass die Kosten unmittelbar der Verteilung des Nachlasses dienen – hier: der Umsetzung testamentarischer Geldanordnungen durch Versteigerung des Nachlasses.
Konkret erkannte der BFH an:

  • Die Lagerkosten für die Aufbewahrung der Nachlassgegenstände bis zur Versteigerung seien notwendig gewesen, um den Nachlass sachgerecht zu sichern und zu verteilen.
  • Das Honorar für die Kunstexpertin, die mit der Sichtung, Bewertung und Vermarktung der Gegenstände betraut war, sei ebenfalls Teil der Nachlassverteilung und somit abzugsfähig.

Praxishinweis | BFH II R 43/22

Der BFH betonte erneut die Abgrenzung zwischen Nachlassregelung und Nachlassverwaltung. Während Letztere nicht abzugsfähig ist, umfasst die Nachlassregelung unter anderem alle Maßnahmen, die der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und der Umsetzung der Auszahlung dienen – auch wenn dadurch erst liquide Mittel geschaffen werden müssen.

Zudem wies der BFH darauf hin, dass die Prüfung nicht daran scheitern darf, ob kostengünstigere Alternativen möglich gewesen wären.

Das Urteil bringt wichtige steuerliche Klarheit für Erben, Notare und Steuerberater. Es zeigt: Nicht alle Kosten im Zusammenhang mit dem Nachlass sind automatisch Verwaltungskosten. Insbesondere dann, wenn Nachlassgegenstände verkauft werden müssen, um testamentarisch bestimmte Geldbeträge auszuzahlen, können auch Lager- und Verwertungskosten steuermindernd berücksichtigt werden. 

Die Entscheidung stärkt die Rechtsposition von Erbengemeinschaften und betont die Bedeutung einer sachgerechten und praxisnahen Auslegung des Erbschaftsteuerrechts bei der Nachlassverteilung.