29.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
12.03.2024
II ZB 4/23
ZIP 2024, 943
Die Parteien streiten über die Gültigkeit von Beschlüssen, die Anfang 2020 auf Gesellschafterversammlungen der R. Gruppe GmbH & Co. KG mit den Stimmen der Beklagten gefasst wurden. Diese Beschlüsse genehmigten den Abschluss von Geschäftsführerdienstverträgen der Betriebsuntergesellschaft der KG mit den Beklagten. Der Kläger und die Beklagte zu 1) sind Kommanditisten der KG. Die weitere Kommanditistin war die während des zweiten Rechtszugs verstorbene Beklagte zu 2), die vom Kläger beerbt wurde. Hinsichtlich ihres Kommanditanteils hatte die Erblasserin Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, die im Gesellschaftsvertrag der KG zugelassen war.
Das Berufungsgericht hat auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) den Rechtsstreit ausgesetzt, soweit sich die Klage gegen diese gerichtet hat. Zur Begründung führt das BerGer. aus, dass der Aussetzung des Rechtsstreits nicht das Verbot des Insichprozesses infolge der Beerbung der Beklagten zu 2) durch den Kläger entgegenstehe, da der Kommanditanteil der Testamentsvollstreckung unterliege und daher der Testamentsvollstrecker zur Aufnahme des Verfahrens berufen sei. Bei der Erbfolge in einen Kommanditanteil sei die Testamentsvollstreckung unbeschränkt möglich, sofern sie – wie vorliegend – im Gesellschaftsvertrag zugelassen sei. Dies gelte auch, sofern der Erbe bereits Gesellschafter sei. Zwar sei die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft grundsätzlich als einheitlich anzusehen. Allerdings müsse in Fällen der Testamentsvollstreckung aus praktischen Bedürfnissen eine Ausnahme gemacht werden.
Gegen den Beschluss wendet sich der Kläger mit der vom BerGer. zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das BerGer. habe das Verfahren gegen die Beklagte zu 2) zurecht gem. § 246 Abs. 1 ZPO ausgesetzt. Die Beerbung der Beklagten zu 2) durch den Kläger und der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft stehen der Aussetzung nicht entgegen. Ein im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangener Kommanditanteil unterliege der Dauertestamentsvollstreckung auch, wenn der Erbe bereits Gesellschafter ist.
Die im Gesellschaftsvertrag zugelassene Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin hindere die uneingeschränkte Vereinigung des Kommanditanteils der Beklagten zu 2) mit dem des Klägers. In Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in der Literatur sei der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil als abspaltbares Sondervermögen einzuordnen. Der im Personengesellschaftsrecht zentrale Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft stehe dieser Einordnung nicht entgegen, da sich der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil aufgrund der materiellrechtlichen Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers über die im Gesellschaftsanteil verkörperten Rechte nicht uneingeschränkt mit einem bereits zuvor gehaltenen Gesellschaftsanteil des Erben vereinige. Die anderslautende Ansicht führe hingegen zu unpraktischen „Ersatzkonstruktionen“, um den Willen des Erblassers durchzusetzen. So solle der Kommanditisten-Erbe nach der Vereinigung der Anteile durch konkludente Auflage (gem. §§ 1940, 2192 ff. BGB) verpflichtet sein, den geerbten Anteil treuhänderisch an den Testamentsvollstrecker abzutreten.
Zudem stellt der BGH fest, dass auch der verfahrensgegenständliche Beschlussmängelstreit von der Testamentsvollstreckung umfasst sei. Hat ein Erblasser – wie vorliegend – hinsichtlich eines Gesellschaftsanteils eine unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, seien die Erben grundsätzlich gem. § 2205 S. 1, § 2211 BGB von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse ausgeschlossen. Die Verwaltungs- und Vermögensrechte bezüglich des Gesellschaftsanteils würden ausschließlich vom Testamentsvollstrecker wahrgenommen. Dabei sei er nicht an den Willen der Erben gebunden und lediglich durch die Verbote der unentgeltlichen Verfügung nach § 2205 S. 3 BGB und der Begründung einer persönlichen Haftung der Erben (vgl. § 2206 BGB) sowie durch seine allgemeine Pflichtenstellung gegenüber den Erben eingeschränkt. Die gerichtliche Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen (bzw. die Verteidigung dagegen) obliege daher ebenfalls dem Testamentsvollstrecker gem. § 2212 BGB. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn der Testamentsvollstrecker selbst unzulässigerweise anstelle der Erben mitgestimmt hat und insoweit seine Verwaltungsbefugnis eingeschränkt ist.
Die aufgestellten Grundsätze des BGH führen dazu, dass künftig sowohl Personengesellschaften im Rahmen des Gesellschaftsvertrages als auch künftige Erblasser im Rahmen der Testamentserstellung berücksichtigen müssen, dass sich Gesellschaftsanteile im Falle der Testamentsvollstreckung nicht mit einem bereits gehaltenen Gesellschaftsanteil eines Erben vereinigen. Vielmehr übt zunächst der Testamentsvollstrecker die Gesellschafterbefugnisse aus. Zu beachten ist, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung betreffend einen Gesellschaftsanteil nach der Rechtsprechung des BGH nur zulässig ist, wenn die übrigen Gesellschafter mit der Testamentsvollstreckung einverstanden sind oder der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht (BGH v. 03.07.1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191 ff.)
Mit der vorliegenden Grundsatzentscheidung hat der BGH seine Jahrzehnte alte Rechtsprechung (BGH v. 11.04.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 113) geändert und sich der herrschenden Auffassung im Schrifttum angeschlossen.