19.07.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Frankfurt a.M.
19.10.2023
15 U 133/22
NZG 2024, 301
Fehlende Prozessführungsbefugnis des Kommanditisten für Sozialforderungen der KG [ PDF ]
Für die Geltendmachung der Sozialforderungen einer Kommanditgesellschaft sind grundsätzlich deren Organe – also die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter – berufen. Die actio pro socio ist nur zulässig, wenn die übrigen Gesellschafter eine Anspruchsdurchsetzung trotz eines entsprechenden Begehrens aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert haben („Hilfsrecht“).
Die von dem Bekl. zu 2) im Jahr 1968 gegründete X-KG ist in der Entwicklung, Konstruktion, Fertigung, Beschaffung, Produktion sowie dem Vertrieb von Duschabtrennungen aus Echt- und Kunstglas tätig. Der Bekl. zu 2) ist der einzige Komplementär der X-KG und vertritt diese in seiner Funktion als alleiniger Geschäftsführer. Der Kl. ist seit 1983 Kommanditist der X-KG.
Der Bekl. zu 1) ist seit 2019 ebenfalls als Kommanditist der X-KG in das Handelsregister eingetragen und seit März 2004 fest bei der X-KG in Vollzeit angestellt. Zudem ist er der alleinige Kommanditist der im Jahr 2014 gegründeten Y-GmbH & Co. KG (im Folgenden: Y-KG) und fungiert als alleiniger Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin. Die Y-KG verkauft Beschlagteile, die von der X-KG produziert werden.
Mit Schreiben vom 27.07.2016 widersprach der Kl. gegenüber dem Bekl. zu 2) der Geschäftstätigkeit des Bekl. zu 1) bei der Y-KG sowie der Y-GmbH und erklärte, er lehne insbesondere die Geschäfte mit den beiden Unternehmen ab, die einen Onlinevertrieb mit den Produkten der X-KG betrieben. Ebenfalls forderte er den Bekl. zu 2) als den geschäftsführenden Gesellschafter der X-KG auf, entsprechende Geschäfte künftig zu unterlassen.
An einem Stand der Y-KG auf der Messe Z 2018 wurden komplette Glasduschen und weitere Produkte der X-KG ausgestellt. Auf der Messe Q 2019 äußerte der Bekl. zu 1) auf die Nachfrage einer Interessentin, ob die Bestellung an die X-KG oder die Y-KG zu richten sei, dass es egal sei, wohin die Bestellung gerichtet werde, weil alle Bestellungen über ihn liefen und von ihm zugeordnet würden.
Der Kl. macht nun gegen den Bekl. zu 1) als Mitgesellschafter und den Bekl. zu 2) als persönlich haftender Gesellschafter Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend u.a. aufgrund von Rücksichtnahme- und Treuepflichtverletzungen – insbesondere im Hinblick auf das Wettbewerbsverhältnis von X-KG und Y-KG.
Das LG Marburg wies die Klage als unzulässig ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Nach Auffassung des OLG Frankfurt a. M. habe das LG zu Recht angenommen, dass die Klage unzulässig ist.
Als Kommanditist fehle dem Kläger die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Prozessführungsbefugnis. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers in Form einer Prozessstandschaft ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer actio pro socio.
Actio pro socio bezeichne die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft. Das Recht eines einzelnen Gesellschafters – auch innerhalb einer Kommanditgesellschaft –, mittels einer actio pro socio gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, sei jedoch in jedem Fall durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht begrenzt. Unter diesem Gesichtspunkt könne sich die Ausübung dieses Rechts nach den konkreten Umständen der Gesellschaftsverhältnisse, einschließlich des Verhaltens des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters, als rechtsmissbräuchlich erweisen.
Gemäß den Grundsätzen der actio pro socio stehe einem Kommanditist die Prozessführungsbefugnis nur zu, um sog. Sozialforderungen der Kommanditgesellschaft auch gegen den Komplementär geltend zu machen, sofern er ein berechtigtes Interesse an ihrer Durchsetzung hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Auch nach dem BGH setze die Zulässigkeit der actio pro socio voraus, dass die übrigen Gesellschafter eine Geltendmachung des Anspruchs aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert haben („Hilfsrecht“). Dieses Ergebnis bestätige auch der neue § 715b BGB, welcher über §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB auch auf die Kommanditgesellschaft anzuwenden ist, wonach eine Gesellschafterklage nur möglich ist, wenn „der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt“. Mit § 715b BGB normiere der Gesetzgeber die Subsidiarität der Gesellschafterklage.
Für die Durchsetzung der Sozialforderungen einer Kommanditgesellschaft seien grundsätzlich deren Organe – also die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter – zuständig. Raum für die actio pro socio sei nur, wenn diese das Recht nicht geltend machen können oder trotz eines entsprechenden Begehrens des Gesellschafters nicht geltend machen wollen.
Diese Voraussetzungen der Prozessführungsbefugnis nach den genannten Grundsätzen der actio pro socio habe der Kl. weder hinsichtlich den Bekl. zu 1) noch hinsichtlich den Bekl. zu 2) ausreichend dargelegt. Es lasse sich insbesondere nicht feststellen, dass die übrigen Gesellschafter die Geltendmachung dieser Ansprüche aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert hätten.
Darüber hinaus stellt das OLG Frankfurt fest, dass auch vergangene und gegenwärtige Rechtsstreitigkeiten – u.a. die Erhebung einer Ausschlussklage gem. § 140 Abs. 1 HGB – kein Beleg dafür seien, dass zwei völlig zerstrittene Lager gegenüberstehen und ein weiteres eigenes Tätigwerden des Klägers vor Erhebung der Klage im hiesigen Verfahren nicht erforderlich gewesen wäre. Zudem sei der Bekl. zu 2) als Komplementär der X KG wegen des Verbots eines Insichprozesses von der organschaftlichen Prozessvertretung gegen sich selbst zwar ausgeschlossen. Jedoch hätten die Gesellschafter einer Personengesellschaft die Möglichkeit, bei der Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen ihren gesetzlichen Vertreter in entsprechender Anwendung von §§ 46 Nr. 8 S. 2 GmbHG, 147 Abs. 2 S. 1 AktG einen besonderen Vertreter zu bestellen. Auch insofern sei die actio pro socio subsidiär.
Im Zivilprozessrecht gilt, dass ein Kläger prozessführungsbefugt ist, wenn er berechtigt ist, über das behauptete Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen, wobei grundsätzlich nur der Inhaber eines Rechts befugt ist, es im eigenen Namen einzuklagen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist die sog. Prozessstandschaft. Eine Prozessstandschaft ist die Prozessführungsbefugnis im eigenen Namen über ein fremdes Recht. Zu beachten ist, dass derjenige, der ein solches fremdes Recht einklagt, seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und notfalls beweisen muss.
Hinsichtlich der Geltendmachung von der Gesellschaft zustehenden Sozialansprüchen durch einen von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter gilt es zudem die Subsidiarität der actio pro socio zu berücksichtigen, wie auch das OLG Frankfurt a. M. in der vorliegenden Entscheidung noch einmal betont. Die actio pro socio ist nur zulässig, wenn die übrigen Gesellschafter eine Geltendmachung des Anspruchs aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert haben.
Im vorliegenden Fall – so auch das OLG Frankfurt – wäre es erforderlich gewesen, dass der nicht geschäftsführungsbefugte Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung oder außerhalb einer solchen ausdrücklich den zur Geltendmachung von Ansprüchen zuständigen Gesellschafter dazu aufgefordert hätte, die in Betracht kommenden Sozialansprüche geltend zu machen. Dies hätte auch durch eine Fristsetzung entsprechend dem in § 148 I 2 Nr. 2 AktG enthaltenen Rechtsgedanken geschehen können. Wenn die Gesellschafter die Aufforderung des Klägers zur Durchsetzung der Sozialansprüche aufgegriffen und durch einen gesellschaftsvertraglich gestatteten Mehrheitsbeschluss abgelehnt hätten, wäre es dem unterlegenen Kläger zunächst notwendig gewesen, die Wirksamkeit dieses Beschlusses gerichtlich überprüfen zu lassen. Erst wenn sich dieser Gesellschafterbeschluss als gesellschaftsrechtswidrig erweist, ist der nicht geschäftsführungsbefugte Gesellschafter für eine Gesellschafterklage klagebefugt.