27.06.2018
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Stuttgart
26.09.2017
10 U 140/16
RNotZ 2018, 316
Änderungen eines Grundstücksübertragungsvertrages, welche nach der erklärten Auflassung, aber vor der Eigentumsumschreibung vereinbart werden, unterliegen der notariellen Beurkundung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der notarielle Kaufvertrag eine Anweisung an den Notar enthält, Abschriften oder Ausfertigungen erst nach dem Nachweis der Kaufpreiszahlung zu erteilen. (n.amtl.)
Die Klägerin als Verkäuferin schloss einen notariell beurkundeten Bauträgerkaufvertrag mit dem Beklagten über drei zu sanierende Eigentumswohnungen. In diesem Vertrag wurde der Notar angewiesen, beglaubigte Abschriften oder Ausfertigungen, welche die Auflassungserklärung beinhalten, erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen wurde.
Nach erklärter Auflassung, aber vor Eintragung der Eigentumsumschreibung im Grundbuch machte der Beklagte ein Kaufpreisminderungsverlangen wegen der Beseitigung von Altlasten schriftlich geltend. Die Klägerin vermerkte auf diesem Schreiben: „zur Kenntnis genommen und anerkannt“.
Die Parteien streiten nun über die Wirksamkeit dieses Schreibens. Die Klägerin ist der Auffassung, die Minderung gilt aufgrund der Formunwirksamkeit der nachträglichen Vereinbarung nicht und macht daher einen Anspruch auf Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises geltend.
Das Landgericht war der Auffassung, eine derartige Vereinbarung nach erklärter Auflassung bedarf keiner notariellen Beurkundung. Dementsprechend wies es die Klage ab. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin.
Das Oberlandesgericht hielt die zulässige Berufung für teilweise begründet. Es ist der Ansicht, die nachträgliche Minderung der Vergütung hätte der notariellen Beurkundung bedurft und ist damit formunwirksam.
Das Minderungsverlangen des Beklagten stellt eine nachträgliche Anpassung des Kaufpreises dar. Es handelt sich nicht um eine Minderung, da die Altlastenbeseitigung keinen Sachmangel nach § 437 Nr. 2 BGB oder § 634 Nr. 3 BGB darstellt. Auch eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB sieht das OLG nicht als gegeben an, da zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart wurde, dass Altlasten nicht Teil der Geschäftsgrundlage seien.
Nach bisheriger Rechtsprechung bezieht sich zwar das Formerfordernis nach § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB auf den Vertrag als Ganzen. Jedoch sollten nicht solche Vereinbarungen erfasst sein, welche lediglich dazu dienen, unvorhergesehene Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Vertrages zu beheben ohne die Verpflichtungen wesentlich zu verändern. Weiterhin verneinte der BGH eine Formbedürftigkeit bei Abänderungsverträgen, die nach der Auflassung, aber vor der Eigentumsumschreibung vereinbart wurden. Die Verpflichtung der Eigentumsumschreibung sei mit der erklärten Auflassung erfüllt. Demnach bedarf es der Formbedürftigkeit nicht mehr.
Das OLG Stuttgart stellt sich nun gegen diese Rechtsprechung und erklärt, dass nachträgliche Anpassungen des Vertrages mangels notarieller Beurkundung unwirksam sind:
Der Wortlaut des § 311b Abs. 1 BGB stellt keine zeitliche Grenze für die Formbedürftigkeit auf, sondern erklärt, dass der Vertrag im Ganzen der notariellen Beurkundung bedarf.
Auch § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB spricht für diese Auslegung. Danach tritt eine Heilung erst mit Auflassung und Eintragung im Grundbuch ein. § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB stellt damit auf das Bewirken des Leistungserfolges im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB ab, welcher erst nach Eigentumsumschreibung erfolgt. Dies gilt insbesondere, wenn der Vertrag eine Anweisung an den Notar enthält, dass dieser Abschriften erst bei Nachweis der Kaufpreiszahlung erteilen soll. Denn wenn die Parteien sich im Nachhinein über die Erfüllung des Kaufpreisanspruchs streiten, wird der Notar faktisch weder die Auflassung, noch die Eintragungsbewilligung oder den Eintragungsantrag an das Grundbuchamt weiterleiten.
Der Schutz des § 311b Abs. 1 BGB hat die Interessen des Verkäufers und des Erwerbers in Sicht. Die Formvorschrift soll die Parteien vor übereilten Entscheidungen schützen, indem ihnen durch die notarielle Beurkundung auch ein sachkundiger Berater zur Seite steht. Weiterhin soll die Form Beweiszwecken dienen. All diese Zwecke sind jedoch auch nach erklärter Auflassung von Bedeutung. Zwar kommt mit Auflassungserklärung der Übereignungswille des Verkäufers zum Ausdruck; dieser Wille bezieht sich ja aber gerade auf die Übertragung zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen.
Dementsprechend gab das OLG Stuttgart der Klage wegen der Formunwirksamkeit der nachträglich vereinbarten Kaufpreisminderung statt. Insbesondere sei das Berufen der Klägerin auf die Formunwirksamkeit nicht treuwidrig, da die Frage der Formbedürftigkeit bei der Vereinbarung über die Kaufpreisminderung niemals thematisiert wurde.
Diese Abwendung der Rechtsprechung des OLG Stuttgart von der BGH-Rechtsprechung schafft eine erhöhte Rechtsunsicherheit. Es bleibt zu hoffen, dass sich der BGH in dem bereits anhängigen Revisionsverfahren (Az.: V ZR 213/17) ausdrücklich positionieren wird. Aufgrund der Zweifel an der Formfreiheit bei Änderungsvereinbarungen zu Grundstückskauf- und -übertragungsverträgen im Stadium vor Eigentumsumschreibung erscheint eine notarielle Beurkundung der Vereinbarung aus Sicherheitszwecken ratsam.