OLG Frankfurt a.M. 21 W 123/24
Formvorgaben bei anwaltlicher Ausschlagung und Anfechtung der Erbschaft – Wann reicht beA nicht aus?

28.07.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a.M.
21.01.2025
21 W 123/24
ZEV 2025, 235

Leitsatz | OLG Frankfurt a.M. 21 W 123/24

  1. Die Ausschlagungserklärung durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bedarf auch dann der öffentlichen Beglaubigung, wenn dieser über eine öffentlich beglaubigte Vollmacht des Ausschlagenden verfügt.
  2. Die Einreichung eines nicht öffentlich beglaubigten Anwaltsschriftsatzes, der die Ausschlagungserklärung enthält, über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ersetzt nicht das Erfordernis der gem. § 1945 BGB erforderlichen öffentlichen Beglaubigung.

Sachverhalt | OLG Frankfurt a.M. 21 W 123/24

Der Beteiligte zu 1) ist der einzige Sohn des verstorbenen Erblassers, der geschieden war und dessen Eltern vorverstorben sind. Aus seiner Ehe hat der Beteiligte zu 1) einen Sohn (Sohn 2) sowie einen weiteren Sohn (Sohn 1) aus einer früheren Beziehung.

Am 20.12.2023 schlug der Beteiligte zu 1) gemeinsam mit seiner Ehefrau die Erbschaft für den Sohn (Sohn 2) wegen Überschuldung des Nachlasses aus. Daraufhin wurde Nachlasspflegschaft angeordnet. Später stellte sich heraus, dass zwar Beerdigungskosten von ca. 2.400 € anfielen, dem aber auch eine unerwartete Pflegegeldnachzahlung in Höhe von 18.802 € gegenüberstand.

Die Mutter von Sohn 1 schlug die Erbschaft ebenfalls aus. Nachdem der Beteiligte zu 1) von der Pflegegeldzahlung erfahren hatte, erklärte er am 08.04.2024 über seinen Anwalt per beA die Anfechtung der ursprünglichen Ausschlagung wegen Irrtums über den Wert des Nachlasses.

Das Nachlassgericht wies ihn jedoch darauf hin, dass die Anfechtungserklärung nicht formwirksam sei, da sie nicht öffentlich beglaubigt war. Die nachträglich eingereichte öffentlich beglaubigte Vollmacht änderte daran nichts. Das Gericht stellte fest, dass auch die Anfechtungserklärung selbst öffentlich beglaubigt sein müsse nach § 1955 i.V.m. § 1945 BGB.

Ein Antrag auf Erteilung eines Erbscheins wurde mit Beschluss vom 26.09.2024 abgelehnt, da die Ausschlagung wirksam, die Anfechtung hingegen formunwirksam sei. Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 1) Beschwerde ein. Er argumentierte, die Anfechtungserklärung habe durch Übermittlung per besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) der Schriftform genügt und sei durch die beigefügte Vollmacht gedeckt.

Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem OLG Frankfurt a.M. vor.

Entscheidung | OLG Frankfurt a.M. 21 W 123/24

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1 ist die Anfechtungserklärung gemäß § 1955 BGB an dieselben Formvorschriften gebunden wie die Ausschlagungserklärung nach § 1945 BGB. Nach § 1945 Abs. 1 BGB muss die Ausschlagung entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form im Sinne des § 129 BGB abgegeben werden.

Dabei reicht die Einhaltung der Formvorgabe für die Vollmacht gemäß § 1945 Abs. 3 BGB allein nicht aus. Diese Vorschrift stellt lediglich ein zusätzliches Formerfordernis für die Vollmacht selbst dar, ohne das Erfordernis der öffentlich beglaubigten Erklärung zu ersetzen. Zwar gilt nach § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich, dass eine Vollmacht keiner besonderen Form bedarf, allerdings verlangt § 1945 Abs. 3 BGB im Fall der Vertretung bei Ausschlagung oder Anfechtung ausdrücklich eine öffentliche Beglaubigung der Vollmacht. Dennoch muss auch die Anfechtungserklärung selbst – unabhängig von der Vertretung – in der vorgeschriebenen Form des § 1945 Abs. 1 BGB abgegeben werden. Es handelt sich hierbei um eine zwingende gesetzliche Formvorschrift.

Die Einreichung eines Schriftsatzes durch den Verfahrensbevollmächtigten über das beA genügt diesen Anforderungen nicht. Auch der sichere Übermittlungsweg über beA ersetzt die gesetzlich geforderte öffentliche Beglaubigung nicht (OLG Bamberg, NJW-RR 2022, 727 = NJW 2022, 2054 Ls.; Grüneberg/Weidlich, BGB, 84. Aufl. 2025, § 1945 Rn. 3; LG München NJWE-FER 2000, 184 = FamRZ 2000, 1328). Zwar entfällt bei dieser Übermittlungsart die Notwendigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO), jedoch wird dadurch keine vergleichbare Überprüfungsfunktion im Hinblick auf die Identität der erklärenden Person gewährleistet, wie sie durch die öffentliche Beglaubigung sichergestellt wäre. Dies zeigt sich auch daran, dass § 129 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausdrücklich die Möglichkeit der öffentlichen Beglaubigung elektronischer Dokumente durch den Notar vorsieht (§ 40a BeurkG). Hätte der Gesetzgeber die Einreichung über das beA als gleichwertig mit einer öffentlichen Beglaubigung angesehen, wäre eine solche Regelung überflüssig gewesen.

Die nachträglich mit Schriftsatz vom 08.04.2024 erklärte Anfechtung der Ausschlagung war unwirksam, da sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erfolgt ist. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 folglich zu Recht abgelehnt, da dieser die Erbschaft mit Erklärung vom 20.12.2023 wirksam ausgeschlagen hatte. 

Praxishinweis | OLG Frankfurt a.M. 21 W 123/24

Roth betont, dass im Rahmen der Erbauseinandersetzung die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften bei der Ausschlagung und deren Anfechtung von entscheidender Bedeutung ist. Insbesondere wenn ein Anwalt im Auftrag des Erben handelt, müssen sowohl der Schriftsatz als auch die Vollmacht öffentlich beglaubigt sein. Dies unterstreicht das OLG Frankfurt a. M. deutlich und weist darauf hin, dass der elektronische Übermittlungsweg über das besondere Anwaltspostfach (beA) den gesetzlich vorgeschriebenen Formzwang nicht ersetzt. Für die Praxis bedeutet dies, dass trotz moderner Kommunikationsmittel auf die sorgfältige Beachtung der Formvorgaben geachtet werden muss, um Rechtsnachteile zu vermeiden (NJW-Spezial 2025, 135, beck-online)