OLG Bremen 3 W 26/24
Fragen der Vertretung von Nacherben durch trans- oder postmortale Vollmacht nach Eintritt des Erbfalls

02.07.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bremen
19.12.2024
3 W 26/24
ZEV 2025, 174

Leitsatz | OLG Bremen 3 W 26/24

  1. Der von dem Erblasser trans- oder postmortal Bevollmächtigte kann nach Eintritt des Erbfalls nicht nur zur Vertretung des Vorerben, sondern auch zur Vertretung des Nacherben berechtigt sein. (amtl. Ls.)
  2. Ob die Vollmacht auch zur Vertretung des Nacherben berechtigt, ist durch Auslegung der Vollmacht nach §§ 133, 157 BGB zu bestimmen. (amtl. Ls.)

Sachverhalt | OLG Bremen 3 W 26/24

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist als befreite Vorerbin im Grundbuch als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragen. In Abt. II ist eingetragen: 

„Nacherbfolge ist angeordnet. Nacherben nach …, geb. (…), verstorben am (…) sind die Abkömmlinge der Vorerbin, mit Ausnahme adoptierter Abkömmlinge.

Eintritt bei Tod der Vorerbin. Die Vorerbin ist befreit. Es ist Ersatznacherbfolge angeordnet. Ersatznacherbin ist die zu errichtende (…) Stiftung.“

Der Erblasser (E) hatte 2008 per notarieller Urkunde zwei Personen gemeinschaftlich mit einer transmortalen Generalvollmacht ausgestattet, die lautet wie folgt:

„Ich, der Erschienene, bestelle hierdurch (…) und (…) zu meinen gemeinsamen Generalbevollmächtigten und ermächtige sie zusammen zur Besorgung aller meiner Angelegenheiten. Die Bevollmächtigten sollen gemeinsam befugt sein, jede Rechtshandlung, welche ich selbst vornehmen könnte und bei welcher eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist, an meiner statt und mit derselben Wirkung vorzunehmen, als ob ich sie selbst vorgenommen hätte. Diese Vollmacht soll durch meinen Tod nicht erlöschen. Diese Vollmacht erstreckt sich auch auf meine Vertretung bei allen öffentlichen Registern. Ich befreie die Generalbevollmächtigten von den Beschränkungen des § 181 BGB.“

Am 12.04.2024 erklärten die Bf. als Vorerbin und die beiden Generalbevollmächtigten des Erblassers gegenüber dem Grundbuchamt notariell beglaubigt die Bewilligung zur Löschung des Nacherbenvermerks.

Mit Zwischenverfügung vom 01.07.2024 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass die bloße Vollmachtserteilung nicht genüge. Für eine isolierte Löschung sei die Einbeziehung sowohl bekannter als auch unbekannter Nacherben erforderlich. Deren rechtliches Gehör könne nicht durch das Handeln der Bevollmächtigten ersetzt werden. Eine eigene Erklärung der Nacherben sei zwar nicht nötig, jedoch sei ihre Beteiligung durch Anhörung zwingend. Die Bf. habe hierzu zunächst das Vorhandensein von Abkömmlingen zu erklären und an Eides statt zu versichern. Für unbekannte Nacherben sei darüber hinaus ein Pfleger gemäß § 1913 BGB zu bestellen.

Die Bf. wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen diese Auffassung. Sie hält eine gesonderte Beteiligung der Nacherben für entbehrlich, da die Generalbevollmächtigten bereits wirksam im Namen des Nachlasses gehandelt hätten.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem zuständigen Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

Entscheidung | OLG Bremen 3 W 26/24

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg; das vom Grundbuchamt angeführte Hindernis für die beantragte Eintragung liegt nicht vor. Der nach § 13 GBO erforderliche Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks sowie die Bewilligung gemäß § 19 GBO wurden wirksam eingereicht. Antragsteller sind die Grundstückseigentümerin gemeinsam mit den – durch Generalvollmacht vertretenen – Nacherben. Diese Konstellation erfüllt die Anforderungen an die Löschungsbewilligung nach §§ 19, 29 GBO. Da für die Löschung des Vermerks sämtliche Nacherben einschließlich etwaiger Ersatznacherben zustimmen müssen (vgl. Küpper in BeckOGK, BGB § 2100 Rn. 285), ist deren Zustimmung durch die bevollmächtigten Vertreter ausreichend erklärt worden.

Die rechtliche Streitfrage betrifft die Wirksamkeit einer über den Tod hinausreichenden Vollmacht zur Vertretung des Nacherben bis zum Nacherbfall. Nach verbreiteter früherer Auffassung ist der Bevollmächtigte lediglich zur Vertretung des Vorerben befugt, da der Nacherbe bis zur Nacherbfolge nicht Beteiligter des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses sei und mangels Widerrufsmöglichkeit schutzlos gestellt werde (vgl. MüKoBGB/Lieder, § 2112 Rn. 18 f.; Staudinger/Avenarius, § 2112 Rn. 34; Burandt/Rojahn/Lang, § 2112 Rn. 14; BeckOGK/Deppenkemper, § 2136 Rn. 64; Schaub, GBO § 51 Rn. 64).

Demgegenüber lässt die Gegenansicht eine Vertretung des Nacherben durch einen trans- oder postmortal Bevollmächtigten zu, sofern sich dies aus einer am Erklärungsinhalt orientierten Auslegung der Vollmacht gem. §§ 133, 157 BGB ergibt. Der Bevollmächtigte handelt dabei im Umfang der vom Erblasser abgeleiteten Vertretungsmacht (vgl. OLG Stuttgart ZEV 2019, 530; KG OLGE 18, 338; MüKoBGB/Schubert, § 168 Rn. 52; MüKoBGB/Lieder, § 2112 Rn. 18; BeckOGK/Grotheer, § 2197 Rn. 158; Grüneberg/Weidlich, § 2112 Rn. 4).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Nacherbe bis zum Nacherbfall nicht Vertragspartner des der Vollmacht zugrunde liegenden Innenverhältnisses sei, so steht dem die Wirksamkeit der Vollmacht nicht entgegen. Aufgrund des Abstraktionsprinzips ist eine isolierte Vollmacht auch ohne bestehendes Grundverhältnis wirksam (§§ 167 ff. BGB), widerrufbar durch den Nacherben (vgl. OLG Stuttgart ZEV 2019, 530; Keim DNotZ 2008, 175; MüKoBGB/Lieder, § 2112 Rn. 21). Nachteile durch das Handeln des Bevollmächtigten können allenfalls Schadensersatzansprüche begründen, ohne die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts zu beeinträchtigen.

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Zwischen Erbfall und Nacherbfall verbleibt dem Nacherben ein gesichertes, nicht entziehbares Anwartschaftsrecht (vgl. BGHZ 87, 369; RGZ 65, 144; RGZ 170, 168; BVerwG NJW 2001, 2417; BayObLG BeckRS 2011, 3512; OLG Schleswig ZEV 2010, 574). Dieses Recht, das unmittelbar vom Erblasser abgeleitet ist, begründet bereits eine rechtliche Teilhabe des Nacherben am Nachlass. Die Generalvollmacht des Erblassers bezieht sich – sofern transmortal ausgestaltet – auf das Gesamtvermögen und umfasst damit auch das Anwartschaftsrecht des Nacherben (vgl. Grüneberg/Weidlich, § 2112 Rn. 4; ZEV 2016, 64).

Der vom Senat gewürdigte Wortlaut der Vollmacht – wonach die Bevollmächtigten zu sämtlichen rechtlichen Handlungen befugt sind, die der Erblasser hätte vornehmen können, und die über den Tod hinaus wirken soll – ist dahin auszulegen, dass die Vertretungsvollmacht auch die Vertretung der Nacherben einschließt. Nur so bleibt die postmortale Wirkung der Vollmacht funktional erhalten. Zwar konnte der Erblasser zu Lebzeiten keine Rechtshandlung im Namen eines Nacherben vornehmen, gleichwohl ist nach Sinn und Zweck der Vollmacht davon auszugehen, dass der Erblasser auch die Vertretung künftiger, von ihm abgeleiteter Rechtspositionen – insbesondere des Nacherben – abdecken wollte.

Insbesondere bei Grundstücksverfügungen ergibt sich aus dieser umfassenden Vertretungsmacht die Berechtigung zur Zustimmung sowohl zur Verfügung als auch zur Löschung des Nacherbenvermerks. Ob der vollständige Verzicht auf die Schutzfunktion des Nacherbenvermerks mit der Nacherbschaftsregelung vereinbar ist, betrifft lediglich das Innenverhältnis und nicht die Wirksamkeit gegenüber dem Grundbuchamt.

Die Generalbevollmächtigten haben für die Nacherben wirksam die Löschungsbewilligung erklärt, weshalb deren Beteiligung am Verfahren als gewahrt gilt. Eine gesonderte persönliche Mitwirkung oder Bestellung eines Vertreters für die Nacherben ist nicht erforderlich.

Praxishinweis | OLG Bremen 3 W 26/24