OLG Frankfurt 20 W 155/22
Grundbucheintragung bei Handeln aufgrund transmortaler Vollmacht eines denkbaren Alleinerben

04.12.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt
14.11.2023
20 W 155/22
NJW-RR 2024, 690

Leitsatz | OLG Frankfurt 20 W 155/22

  1. Ergibt sich aus einer Vollmacht, dass sie von dem Bevollmächtigten nach dem Tod des Vollmachtgebers ausgeübt werden kann, und macht der Bevollmächtigte von dieser Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers Gebrauch, so treten die Wirkungen seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung in der Person des bzw. der Erben ein, die er auch nicht benennen muss. (Amtlicher Leitsatz)
  2. Zur Frage der (fortbestehenden) Legitimationswirkung einer derartigen Vollmacht bei denkbarer Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten. (Amtlicher Leitsatz)
  3. Auf die Wirksamkeit der Erklärungen des Bevollmächtigten hat es keine Auswirkungen, wenn er nicht offenlegt, dass der Vollmachtgeber bereits verstorben ist. (Redaktioneller Leitsatz)
  4. Ist der Bevollmächtigte im Besitz der Vollmachtsurkunde, hat das Grundbuchamt regelmäßig von deren Fortbestand auszugehen. (Redaktioneller Leitsatz)
  5. Das Außenverhältnis zum Geschäftsgegner ist durch die §§ 170 bis 173 BGB geschützt, weshalb das Erlöschen der Vollmacht nicht gleichbedeutend mit ihrer Wirkungslosigkeit ist. (Redaktioneller Leitsatz)
     

Sachverhalt | OLG Frankfurt 20 W 155/22

X ist im Grundbuch eingetragener Eigentümer eines Grundstücks und verstarb im Jahr 2021. Am 09.11.2021 reichte der Beschwerdeführer zwei notarielle Urkunden beim Grundbuchamt ein. Nach der ersten notariellen Urkunde vom 02.11.2021 hatte der Beschwerdeführer, gestützt auf eine transmortale Vollmacht vom 06.04.2021, das Grundstück im Namen des verstorbenen X an zwei Käufer verkauft. Hinweise auf den Tod des bereits verstorbenen Vollmachtgebers X enthielt die Urkunde nicht. Eine weitere notarielle Urkunde vom 02.11.2021 regelte die Bestellung einer Grundschuld im Namen des X zugunsten der Bank-AG.

Am 27.11.2021 wurden aufgrund der gemäß § 15 GBO gestellten Anträge eine Eigentumsübertragungsvormerkung zugunsten der o.g. Käufer sowie die Grundschuld im Grundbuch eingetragen. Am 02.12.2021 übermittelte das Nachlassgericht dem Grundbuchamt Kopien handschriftlicher Verfügungen des X von Todes wegen. Mit Schreiben vom 05.01.2022 bewilligte und beantragte der Beschwerdeführer die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch.

Das Grundbuchamt wies den Antrag auf Eigentumsumschreibung durch Zwischenverfügung ab, da die dem Beschwerdeführer, der zugleich Alleinerbe geworden ist, erteilte Vollmacht durch den Tod des Vollmachtgebers X erloschen sei und daher die Vorlage eines Erbscheins erforderlich sei. Nach Ansicht des Grundbuchamts erlösche eine dem Bevollmächtigten erteilte transmortale Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers durch Konfusion, wenn der Bevollmächtigte zugleich Alleinerbe ist. Im Falle der Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten vertrete dieser sich selbst, was rechtlich nicht möglich sei.

Der Beschwerdeführer legte hiergegen Beschwerde ein. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG zur Entscheidung vor.

Entscheidung | OLG Frankfurt 20 W 155/22

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Zunächst führt das OLG Frankfurt allgemein aus, dass eine Vollmacht – wie im vorliegenden Fall – auch in der Weise erteilt werden könne, dass sie von dem Bevollmächtigten noch nach dem Tod des Vollmachtgebers ausgeübt werden kann (sog. transmortale Vollmacht). Gebraucht der jeweilige Bevollmächtigte die Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers, träten die Wirkungen der rechtsgeschäftlichen Erklärungen in der Person des bzw. der Erben ein, ohne dass deren ausdrückliche Benennung erforderlich wäre. Der Vollzug der Grundbuchseintragung setze in solchen Fällen grundsätzlich auch keinen Nachweis eines Erbscheins gemäß § 35 GBO voraus, da die Erben an die postmortale Vollmacht des Erblassers gebunden blieben, solange diese nicht widerrufen worden sei.

Das OLG Frankfurt lässt allerdings die vom Grundbuchamt aufgeworfene Frage offen, ob eine transmortale Vollmacht durch Konfusion erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird. Denn der Beschwerdeführer habe bei Abgabe der Erklärungen vor dem Grundbuchamt nicht im eigenen Namen gehandelt, sondern ausdrücklich (nur) im Namen des im Grundbuch eingetragenen Vollmachtgebers X. Dass der Beschwerdeführer nicht offengelegt habe, dass der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der beurkundeten Erklärungen bereits verstorben war, habe auf die Wirksamkeit der Erklärungen keine Auswirkungen, da die Erben – wie erwähnt – nicht benannt werden müssten. Sei der Bevollmächtigte – wie im vorliegenden Fall – im Besitz der Vollmachtsurkunde, habe das Grundbuchamt in der Regel vom Fortbestand der Vollmacht auszugehen.

Zwar könne der der transmortalen Vollmacht innewohnende Rechtsschein grundsätzlich durch eigene Erklärungen des Bevollmächtigten, dass er Alleinerbe des Vollmachtgebers geworden ist, zerstört werden. Dies wurde im streitgegenständlichen Fall vom Beschwerdeführer jedoch nicht gegenüber dem Grundbuchamt erklärt, sodass der Rechtsschein fortgelte.

Auch die Kenntnis des Grundbuchamts von den Testamenten – hier infolge der Übermittlung durch das Nachlassgericht erlangt – durchbreche nicht die von der Vollmachtsurkunde ausgehende Legitimationswirkung, sodass in diesen Fällen mithin von der Fortgeltung des Rechtsscheins und somit vom Fortbestand der Vollmacht auszugehen sei. Denn unabhängig vom materiellen Erlöschen der Vollmacht – würde man ein solches durch Konfusion hier annehmen – sei das Außenverhältnis zum Geschäftsgegner gemäß den §§ 170 bis 173 BGB geschützt, weshalb das Erlöschen der Vollmacht nicht zwingend ihre Wirkungslosigkeit bedeute. Auch wenn die Vollmacht durch Konfusion erloschen sein sollte, bleibe ihre Legitimationswirkung im Außenverhältnis also grundsätzlich bestehen, was auch vom Grundbuchamt zu berücksichtigen sei.

Praxishinweis | OLG Frankfurt 20 W 155/22

Leider hat das OLG Frankfurt die interessante Frage offengelassen, ob eine transmortale Vollmacht durch Konfusion erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird. Das Grundbuchamt hatte sich – unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Hamm – auf diesen Standpunkt gestellt. In der Entscheidung des OLG Hamm hatte der Bevollmächtigte vor dem Grundbuchamt erklärt, als Alleinerbe der Erblasserin berufen worden zu sein. Daraus zog das OLG Hamm den Schluss, dass der Bevollmächtigte eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung als Vertreter abgegeben habe, obwohl deren Wirkungen nur ihn selbst als den vertretenen Alleinerben betreffen können. Dies erachtete das OLG Hamm für ausgeschlossen und leitete ein Erlöschen der Vollmacht wegen Konfusion aus § 164 BGB her, der eine Personenverschiedenheit zwischen Vertreter und Vertretenen voraussetzt. 

Diese materiell-rechtliche Frage bedurfte nach Auffassung des OLG Frankfurt jedoch keine abschließende Entscheidung, da die transmortale Vollmacht jedenfalls aufgrund der Vorschriften über die Rechtsscheinwirkung nach den §§ 170 - 173 BGB im Rechtsverkehr bzw. Außenverhältnis als wirksam bzw. fortbestehend zu behandeln ist, was auch vom Grundbuchamt zu beachten ist. Zudem stellt der Senat fest, dass der durch die Vollmachtsurkunde begründete Rechtsschein nicht durch außerhalb der Urkunde liegende Umstände in Zweifel gezogen oder aufgehoben werden kann, sodass der Rechtsschein auch nicht wegen Kenntniserlangung durch Dritte über mögliche Rechtsnachfolgeregelungen zerstört wird.
Zur Vermeidung von Problemen und Verzögerungen bei der Grundbucheintragung empfiehlt sich im Falle des Tätigwerdens aufgrund transmortaler Vollmacht dennoch, weder das Versterben des Vollmachtgebers noch die Stellung als (möglicher) Alleinerbe zu offenbaren.