BGH IX ZR 108/24
Schenkungsanfechtung von erbrachten Leistungen des alleinverdienenden Ehepartners auf gemeinsame Darlehensverbindlichkeiten des Ehepaares

26.12.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
10.07.2025
IX ZR 108/24
FD-InsR 2025, 819371

Leitsatz | BGH IX ZR 108/24

  1. Nehmen Ehegatten gemeinsam ein Darlehen zur Finanzierung eines in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundstücks auf, können Zahlungen des Schuldners auf die Darlehensverbindlichkeiten eine anfechtbare Leistung an den anderen Ehegatten enthalten, soweit der andere Ehegatte durch die Zahlung von seiner Mithaftung befreit wird und aufgrund der Zahlung lastenfreies Eigentum erwirbt.
  2. Dient das Grundstück dem Wohnbedarf der Ehegatten, stellt die Befreiung des anderen Ehegatten von Darlehenszinsen eine entgeltliche Leistung dar, wenn diese unterhaltsrechtlich geschuldet ist.
  3. Tilgungsleistungen sind, soweit sie zu lastenfreiem Eigentum führen, auch dann als unentgeltliche Leistungen anfechtbar, wenn dem anderen Ehegatten ein Anspruch auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten zusteht und das Grundstück von beiden Ehegatten bewohnt wird.
  4. Allein der Umstand, dass die Übertragung eines Vermögensgegenstands im Rahmen einer ehebedingten Zuwendung erfolgt, stellt noch keine Gegenleistung dar, welche die Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne der anfechtungsrechtlichen Vorschriften ausschließt (Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – IX ZR 245/06, WM 2008, 1695 Rn. 9).
  5. Eine ehebedingte Zuwendung des alleinverdienenden Ehegatten ist auch dann als unentgeltlich zu bewerten, wenn sie als Gegenleistung für die vom nicht erwerbstätigen Ehegatten erbrachte Haushaltsführung oder Kinderbetreuung vereinbart wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 13. März 1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61, 66 f).

Sachverhalt | BGH IX ZR 108/24

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners. Die Beklagte ist die Ehefrau des Schuldners. Dieser ging einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach und sorgte als Alleinverdiener für die finanzielle Versorgung der Familie, während die Ehefrau die Führung des Haushalts und die Versorgung und Erziehung der gemeinsamen Kinder übernahm. Gemeinsam erwarben die Eheleute ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, das sie als Familie bewohnten. Zur Finanzierung des Grundstückskaufs nahmen die Eheleute ein gemeinsames Darlehen auf. Zur Sicherheit bestellten sie der Bank eine Buchgrundschuld an ihrem Grundstück. Aufgrund einer Abrede der Eheleute erbrachte der Schuldner sämtliche Zins- und Tilgungszahlungen auf das Darlehen. Im Anfechtungsrelevanten Zeitraum leistete er während der intakten Ehe rund 24.000 EUR an die finanzierende Bank. Der Insolvenzverwalter nimmt die Ehefrau nun auf Erstattung der hälftigen Darlehensraten in Höhe von rund 12.000 EUR in Anspruch. Das LG Trier hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Insolvenzverwalters hat das OLG Koblenz der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von rund 9.000 EUR verurteilt. Hinsichtlich des Zinsanteils in Höhe der weiteren 3.000 EUR blieb die Berufung ohne Erfolg. 

Entscheidung | BGH IX ZR 108/24

Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg. Der BGH schließt sich der Auffassung des Berufungsgerichts an, dass die Zahlungen des Schuldners anfechtbare Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO darstellen, da sie unentgeltlich im Zeitraum von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger des Schuldners benachteiligen.
 
Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO ist jede Rechtshandlung, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen. Davon sind die Tilgungszahlungen des Schuldners erfasst. Mit den Zahlungen an die Bank hat der Schuldner nach Ansicht des BGH zugleich Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO an die Ehefrau erbracht. Der Senat führt dazu aus, dass eine Zahlung mehrere Leistungen im Sinne des § 134 InsO umfassen, also mehrere rechtliche Wirkungen nach sich ziehen kann, die anfechtungsrechtlich gesondert zu betrachten sind. Da die Eheleute für das aufgenommene Darlehen als Gesamtschuldner haften, bewirken die Zahlungen des Schuldners auf das Darlehen nicht nur eine Tilgung seiner Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank, sondern erfüllen auch die Schuld der Ehefrau. Zudem erfüllte der Schuldner die im Innenverhältnis bestehende Verpflichtung, seine Ehefrau von der Verbindlichkeit gegenüber der darlehensgebenden Bank freizustellen. In der Verschaffung lastenfreien Eigentums zugunsten der Ehefrau liegt ebenfalls eine Leistung.
 
Des Weiteren bejaht der Senat die Frage der Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO. Eine solche liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat, wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätte. Hier liegt eine Verkürzung der Aktiva vor. Die vom Schuldner aufgewandten Mittel sind endgültig aus seinem Vermögen ausgeschieden und standen für eine Befriedigung der Gläubiger nicht mehr zur Verfügung. An dieser Beurteilung ändert sich auch bei Berücksichtigung der Überlegung, dass bei Anmietung einer Wohnung die Mieten keine anfechtbaren, unentgeltlichen Zuwendungen an die Ehefrau darstellen, nichts. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung ist aufgrund des realistischen Geschehens zu beurteilen und es besteht kein Raum für hypothetische Kausalverläufe.
 
Der BGH ordnet die erbrachte Leistung des Schuldners auch als unentgeltlich ein. Er unterscheidet hierbei zwischen Zwei- und Drei-Personen-Verhältnissen und sieht eine Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis als unentgeltlich an, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Im Drei-Personen-Verhältnis kommt es hingegen nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat, sondern vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Hier hatte der Schuldner mit der Entrichtung der Tilgungsanteile eine unentgeltlich begründete Verpflichtung gegenüber der Ehefrau, diese von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Bank freizustellen und ihr lastenfreies Eigentum zu verschaffen, erfüllt. Die Ehefrau hatte hierfür auch sonst keine Gegenleistung zu erbringen. Eine Entgeltlichkeit der Tilgungsleistungen folgt auch nicht aus einem Unterhaltsanspruch der Ehefrau. Aus dem Unterhaltsrecht folgt kein Anspruch auf Vermögensbildung. Insbesondere umfasst die zum Familienunterhalt gehörende Sorge für einen angemessenen Wohnbedarf regelmäßig nicht die Aufwendungen, die zum Erwerb oder zur Errichtung eines Eigenheims und zur Tilgung der auf einem bereits erworbenen Hausgrundstück lastenden Schulden erforderlich sind. Derartige Aufwendungen unterscheiden sich in ihrer Zielrichtung erheblich von den Kosten, die nach § 1360a BGB als laufende Kosten zur Haushaltsführung und zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse der Ehegatten erforderlich sind. Der BGH sieht schließlich auch in der von der Ehefrau erbrachten Haushaltsführung und Erziehung der Kinder keine anfechtungsrechtlich beachtliche Gegenleistung. 

Praxishinweis | BGH IX ZR 108/24

Mit seiner Entscheidung beantwortet der BGH Rechtsfragen, die sich in der häufigen Konstellation der Alleinverdiener-Ehe stellen. Kritisch betrachtet werden kann in der vorliegenden Situation allerdings die durch Anwendung des Unterhaltsrechts entstehende Schlechterstellung der in einem Eigenheim wohnenden Familie im Vergleich zu einer in einem Mietobjekt lebenden Familie. Die Mietkosten werden unstreitig unterhaltsrechtlich geschuldet. Aber auch das Eigenheim dient, sofern es sich nicht um eine Zweitwohnung oder Ähnliches handelt, primär dem Wohnen und nicht der Vermögensbildung. Hierbei steht also auch die Deckung laufender Bedürfnisse in Gestalt des Wohnens und nicht eine zukunftsgerichtete Vermögensbildung im Vordergrund. Somit würden die Insolvenzgläubiger von der Entscheidung der Eheleute, in einem finanzierten Eigenheim statt in einer Mietwohnung zu leben, profitieren (Ippen, FD-InsR 2025, 819371).