14.03.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
19.09.2024
IX ZR 217/22
BeckRS 2024, 25109
Grundsätze zur Unentgeltlichkeit der Besicherung fremder Schuld [ PDF ]
Die Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit ergibt sich nicht allein daraus, dass eine zuvor für die gleichen Verbindlichkeiten bestellte Sicherheit eine entgeltliche Leistung darstellte. Bei der Besicherung einer fremden Verbindlichkeit kommt es vielmehr darauf an, ob der Gläubiger eine ausgleichende Gegenleistung erbringt.
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut. Sie begehrt vom Beklagten die Auskehr eines vom Beklagten eingezogenen Rückkaufwerts einer privaten Rentenversicherung.
Am 30.12.2023 wurde ein über das Vermögen des P (im Folgenden: Schuldner) eröffnetes Insolvenzverfahren, eröffnet im Jahre 2002, mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt, wobei eine Restschuldbefreiung nicht erteilt wurde. Am 30.05.2008 verpfändete der Schuldner der Klägerin ein Termingeldkonto über 40.000 Euro zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen die K GmbH (im Folgenden: Gesellschaft) aus einem Darlehenskonto. Außerdem übernahm der Schuldner am 07.12.2009 eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 120.000 Euro zur Sicherung aller Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft aus einem Konto und dem Darlehen.
Am 12.12.2014 schloss der Schuldner eine private Rentenversicherung ab und veranlasste zugleich die Überweisung des Versicherungsbetrags in Höhe von 51.500 Euro an den Versicherer. Am 29.12.2024 trat der Schuldner sodann alle Ansprüche und Rechte aus diesem Versicherungsvertrag an die Klägerin zur Sicherung von Ansprüchen gegen ihn und die Gesellschaft ab. Die Abtretung der Ansprüche für den Erlebensfall dienten der Sicherung des Anspruchs „auf Rückzahlung des noch nicht getilgten Nettokreditbetrags“ aus den zwei Darlehen.
Am 01.03.2016 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Am 17.08.2017 wurde auf einen Antrag erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Daraufhin meldete die Klägerin eine Forderung über 93.375,68 Euro aus der vom Schuldner übernommenen Bürgschaft zur Tabelle an. Nachdem die Klägerin den Versicherungsvertrag kündigte und um Auszahlung des Rückkaufswert der Rentenversicherung in Höhe von 55.329,70 Euro bat, zahlte der Versicherer die Summe an den Beklagten aus.
Mit der Klage nahm die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von 46.668,39 Euro in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das OLG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 46.668,70 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte legte Revision ein und beantragt weiter Klageabweisung.
Die Revision hat Erfolg.
Die Begründung des Berufungsgerichts halte rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Es finden die Vorschriften der Insolvenzordnung in der ab dem 05.04.2017 geltenden Fassung Anwendung.
Zu Recht habe das Berufungsgericht angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch aus §§ 170 Abs. 1, 50 Abs. 1, 51 Nr. 1 InsO zu. Sie sei infolge der Sicherheitsabtretung vom 29.12.2014 zur abgesonderten Befriedigung aus dem Anspruch auf den Rückkaufswert der Rentenversicherung gegen den Versicherer berechtigt, da die Abtretung wirksam gewesen sei. Der Beklagte habe den Rückkaufswert vom Versicherer gemäß § 166 Abs. 2 InsO vereinnahmt.
Allerdings genügten die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, um eine Anfechtbarkeit der vom Schuldner bestellten Sicherungen gemäß § 134 Abs. 1 InsO ausschließen zu können. Gemäß § 134 Abs. 1 InsO stellt die Abtretung der Rechte des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag eine anfechtbare Rechtshandlung dar, wenn sie unentgeltlich im Zeitraum von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist und die Gläubiger des Schuldners benachteiligt. Die Abtretung der Forderung aus dem Rentenversicherungsvertrag an die Klägerin sei wegen der damit verbundenen Vermögensminderung als Leistung im Sinne der Norm einzustufen. Die Frage nach der Unentgeltlichkeit bestimmt sich gemäß § 14 Abs. 1 InsO, also dem Zeitpunkt, zu dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlungen eintreten. Die Besicherung einer fremden Schuld sei grundsätzlich unentgeltlich, wenn der Sicherungsgeber zur Bestellung der Sicherheit nicht aufgrund einer entgeltlich begründeten Verpflichtung gehalten ist. Umgekehrt sei die Besicherung entgeltlich, wenn der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber für seine Leistung die Kreditgewährung an einen Dritten verspricht. Auch sei eine Schenkungsanfechtung ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß eine ausgleichende Leistung an einen Dritten erbringt, ohne dass hierzu eine vertragliche Verpflichtung des Sicherungsnehmers gegenüber dem Sicherungsgeber bestehen muss.
Nach diesen Maßstäben seien die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichend, die Abtretung der Ansprüche und Rechte als entgeltlich einzuordnen. Die Rechtshandlung erfolgte innerhalb des vierjährigen anfechtbaren Zeitraums.
Eine Unentgeltlichkeit der Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrags lasse sich hingegen nicht verneinen. Das Revisionsgericht muss davon ausgehen, dass die Klägerin die Sicherheit wegen ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft verwerten möchte und es sich mithin bei der Abtretung um eine Sicherheit zugunsten einer fremden Verbindlichkeit handelt. Daran ändere auch die Besicherung der zugunsten de Klägerin übernommenen Bürgschaftsverpflichtung des Schuldners nichts.
Das Berufungsgericht treffe keine hinreichenden Feststellungen hinsichtlich einer ausgleichenden Gegenleistung seitens der Klägerin für die Abtretung der Rechte an sie. Es komme entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf die zu einem früheren Zeitpunkt bestellte entgeltliche Sicherheitsbestellung an. Auch die Aufrechterhaltung eines bereits zuvor der Gesellschaft gewährten Kredits genüge hierzu nicht.
Es lasse sich auch nicht ausschließen, dass die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag die Gläubiger benachteilige. Eine Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat. Dabei sind lediglich solche Forderungen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. An einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt es bei einem unmittelbaren Austausch gleichwertiger Sicherheiten. Dieser Umstand lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Denn der Schuldner habe über den Wert des ursprünglich verpfändeten Guthabens i.H.v. 40.000 Euro hinausgehendes Vermögen eingesetzt haben müssen, um den Versicherungsbeitrag i.H.v. 51.500 Euro leisten zu können. Weiter stehe nicht fest, ob die Freigabe des zugunsten der Klägerin verpfändeten Termingeldkontos erst erfolgt sei, nachdem der Schuldner der Klägerin die Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag abgetreten habe. Sollte die Abtretung erst erfolgt sein, nachdem der Schuldner bereits über das Guthaben des Termingeldkontos verfügt hat, fehle es an einem unmittelbaren Sicherheitsaustausch.
Das Berufungsgericht nehme zu Recht an, dass sich der Beklagte nicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit gemäß § 133 Abs. 1, 146 Abs. 2 InsO berufen könne, da die Kenntnis der Klägerin von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht festgestellt werden könne.
Die Einrede der Verjährung greife nicht durch. Denn der Verwalter könne gemäß § 146 Abs. 2 InsO die Erfüllung einer Leistungspflicht auch dann verweigern, wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt die Anforderungen an die Einordnung einer Rechtshandlung als „unentgeltlich“ ausführlich auf. Dabei macht das Gericht deutlich, dass es ausschließlich auf Umstände hinsichtlich dieser Rechtshandlung ankommt und nicht allein deshalb auf eine Entgeltlichkeit geschlossen werden kann, weil vorherige Rechtshandlungen entgeltlicher Natur waren. Es ist daher darauf zu achten, dass aus der, wie hier, Abtretung allein eine ausreichende Gegenleistung erbracht wird, um einer Schenkungsanfechtung zu entgehen.