OLG Bremen 1 W 4/25
Heilung durch Unterzeichnung des verschlossenen Umschlags nach § 35 BeurkG

06.08.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bremen
09.05.2025
1 W 4/25
BeckRS 2025, 10836

Leitsatz | OLG Bremen 1 W 4/25

Die Heilung einer Niederschrift ohne Unterschrift des Notars nach § 35 BeurkG verlangt lediglich, dass die Aufschrift auf dem verschlossenen Umschlag vom Notar unterschrieben worden ist, ohne ausdrücklich weitergehend auch zu bestimmen, dass diese Unterschrift erst nach Verschließung des Umschlags aufzubringen gewesen wäre.

Sachverhalt | OLG Bremen 1 W 4/25

Der Beschwerdeführer (Bf.), seine Ehefrau und deren gemeinsame Töchter schlossen 2012 eine notarielle Übereinkunft in der sich die Eheleute zu Vorerben und die Töchter zu Nacherben einsetzten. Weiterhin wurde in Ziff. II § 4 bestimmt, dass diese Erbeinsetzungen als vertragsmäßige Verfügungen gemäß § 2278 BGB (Vorschriften im Bereich des Erbvertragsrechts) anzusehen sein sollten. Der Notar unterschrieb nicht die Urkunde selbst, sondern den Umschlag, in dem die Urkunde eingeschlossen wurde.

2021 errichteten die Eheleute ein notarielles Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten.

Nach dem Tod der Ehefrau, beantragte der Bf. einen Erbschein, welchen ihn als unbeschränkten Alleinerben ausweisen sollte. Die Urkunde von 2012 sei kein Erbvertrag sondern ein Testament, welches durch das Testament aus dem Jahr 2021 widerrufen wurde. Überdies führe die fehlende Unterschrift des Notars auf der Urkunde zur Unwirksamkeit der Verfügung.

Gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts wandte sich der Bf. mit der Beschwerde vor dem OLG. 

Entscheidung | OLG Bremen 1 W 4/25

Die Beschwerde wurde zurückgewiesen. 

Wegen der eindeutigen Formulierung von Ziff. II § 4 der Urkunde aus 2012, kam das Gericht zu der Überzeugung, dass es sich bei der Verfügung um einen Erbvertrag handelte. Entgegenstehende Anhaltspunkte waren der Urkunde nicht zu entnehmen. Wegen der Bindungswirkung der §§ 2290, 2292 BGB, konnten die Eheleute im Jahr 2021 den Erbvertrag nicht durch Testament widerrufen. Dazu hätte es der Mitwirkung aller am Vertragsschluss beteiligten Personen, also auch der Töchter bedurft.

Die fehlende Unterschrift des Notars wurde gemäß § 35 BeurkG durch die Unterschrift auf dem Umschlag geheilt. Das Gericht entschied im Einklang mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum, dass es nicht darauf ankommt, ob der Notar vor oder nach Verschließung des Umschlags unterzeichnet hat, weil die vom Gesetzgeber intendierte Heilungswirkung von § 35 BeurkG ansonsten oftmals wegen praktischer Beweisschwierigkeiten leerliefe. 
 

Praxishinweis | OLG Bremen 1 W 4/25

  1. Werden letztwillige Verfügungen in der notariellen Urkunde als vertragsmäßige Verfügungen bezeichnet, so kann später nicht eingewendet werden, es handle sich bei der Verfügung um ein Testament.
  2. Eine notarielle Urkunde ist auch dann wirksam, wenn nur der Umschlag unterzeichnet wurde, in dem die Urkunde eingeschlossen ist, unabhängig davon, ob die Unterschrift vor oder nach Verschluss des Umschlags erfolgte.