BGH XII ZB 147/24
Keine Adoption ohne Benachrichtigung des leiblichen Vaters

13.05.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
31.07.2024
XII ZB 147/24
NZFam 2025, 278

Leitsatz | BGH XII ZB 147/24

  1. Das grundrechtlich geschützte Interesse des möglichen leiblichen Vaters, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einnehmen zu können, ist verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, dass dieser vom Familiengericht entsprechend § 7 IV FamFG vom Adoptionsverfahren benachrichtigt werden muss, um ihm eine Beteiligung am Verfahren zu ermöglichen (im Anschluss an Senat NJW 2015, 1820).
  2. Von einer solchen Benachrichtigung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn aufgrund der umfassend aufgeklärten Umstände unzweifelhaft ist, dass eine Beteiligung des möglichen leiblichen Vaters nicht in Betracht kommt. Das ist der Fall, wenn dieser auf sein grundrechtlich geschütztes Interesse, die rechtliche Vaterstellung zu erlangen, verzichtet hat. Darüber hinaus ist eine Benachrichtigung vom Adoptionsverfahren regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 1747 IV BGB entbehrlich (im Anschluss an Senat NJW 2015, 1820).
  3. Bloße Erklärungen der Annehmenden und der Kindesmutter, der diesen bekannte private Samenspender sei mit der Adoption einverstanden und lege keinen Wert auf eine Beteiligung am Adoptionsverfahren, sowie von diesen vorgelegte, nicht auf ihre Authentizität überprüfbare Textnachrichten entsprechenden Inhalts entbinden das Tatgericht nicht ohne Weiteres von der Benachrichtigung des Samenspenders von dem Adoptionsverfahren (Fortführung Senat NJW 2015, 1820).

Sachverhalt | BGH XII ZB 147/24

Der BGH hatte kürzlich einen Fall zu entscheiden, in dem es um die versagte Adoption eines vierjährigen Kindes durch die Ehefrau (Beteiligte zu 1) der leiblichen Mutter (Beteiligte zu 2) ging. Die beiden Frauen sind seit 2014 in einer Beziehung und seit 2017 verheiratet. Das Kind wurde 2020 nach einer privaten Samenspende geboren. Die Mutter des Kindes willigte durch notarielle Urkunde in die Annahme des Kindes durch ihre Ehefrau ein, woraufhin deren Ehefrau die Annahme des Kindes beantragte. Eine Zustimmungserklärung des Samenspenders, mit dem die Beteiligten zu 1 und zu 2 nach eigenen Angaben in schriftlichem und telefonischem Kontakt stehen, legte sie nicht vor. Sie machte insoweit geltend, der Samenspender wolle (zumindest) derzeit nicht aktiv am Leben des Kindes teilhaben und habe in einem Telefonat geäußert, nicht namentlich benannt werden zu wollen. Die Mitteilung der Kontaktdaten des Samenspenders haben die Beteiligten zu 1 und zu 2 daher mit der Begründung verweigert, sie wollten vermeiden, dass sich der leibliche Vater bei Preisgabe seines Namens gegen seinen Willen zurückziehe und zu einem späteren Kontakt mit dem Kind nicht mehr bereit sei.

Das Amtsgericht lehnte den Antrag auf Annahme des Kinds ab. Auch die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich nun die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. 

Entscheidung | BGH XII ZB 147/24

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht habe zutreffend angenommen, dass die Adoption des Kindes durch die Beteiligte zu 1 ohne Benachrichtigung des Samenspenders von dem Adoptionsverfahren gemäß § 7 Abs. 4 FamFG nicht ausgesprochen werden könne. Diesbezüglich führte der BGH aus, dass das grundrechtlich geschützte Interesse eines (möglichen) leiblichen Vaters, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen, verfahrensrechtlich dadurch zu sichern sei, dass dieser vom Familiengericht entsprechend § 7 Abs. 4 FamFG vom Adoptionsverfahren benachrichtigt würde, um ihm eine Beteiligung am Verfahren und die Geltendmachung seiner Vaterschaft vor der Adoption des Kindes durch Dritte zu ermöglichen. 

Der BGH führte weiter aus, dass nur in eng begrenzten Ausnahmefällen von dieser Benachrichtigungspflicht abgesehen werden dürfe. Dies sei etwa dann der Fall, wenn zweifelsfrei feststehe, dass eine Beteiligung des (möglichen) leiblichen Vaters nicht in Betracht komme, der (mögliche) leibliche Vater also auf seine grundrechtlich geschützten Interessen, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen, verzichtet habe, oder wenn einer der gesetzlich geregelten Ausnahmegründe gemäß § 1747 Abs. 4 BGB greife, etwa wenn sein Aufenthalt dauerhaft unbekannt sei, woran es hier fehle.  

Der BGH betonte in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass bloße Erklärungen der Kindesmutter oder der Annehmenden, der Samenspender und leibliche Vater habe trotz Kenntnis von dem Kind bislang keine Anstrengungen unternommen, Kontakt zu diesem aufzunehmen und in die Vaterstellung einzurücken, er wisse von dem Adoptionsverfahren und wünsche ausweislich der vorgelegten Textnachrichten keine Beteiligung hieran, nicht als Entscheidungsgrundlage genügten, um einen wirksamen Verzicht anzunehmen und damit eine Benachrichtigung als entbehrlich zu erachten und bestätigte damit die Auffassung des Beschwerdegerichts. Ohne Benachrichtigung des Samenspenders über das Adoptionsverfahren könne ein möglicher Interessenkonflikt mit der Annehmenden und der Kindesmutter nicht ausgeschlossen werden. Es fehle eine verlässliche Grundlage dafür, dass der Samenspender überhaupt vom Kind und dem Adoptionsverfahren wisse. Zudem sei ohne Benachrichtigung des (möglichen) leiblichen Vaters vom Adoptionsverfahren nicht auszuschließen, dass dessen Daten bewusst zurückgehalten wurden, um die Adoption nicht durch seine Beteiligung am Verfahren zu gefährden. Das Beschwerdegericht habe daher zu Recht betont, dass es eine Aushöhlung der Möglichkeit des leiblichen Vaters, seine durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Interessen wahrzunehmen, durch den Ausspruch der Adoption auf einer ungesicherten Grundlage zu vermeiden gelte. Vor diesem Hintergrund sei auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die vorgelegten Textnachrichten ebenfalls nicht für eine Überzeugungsbildung habe ausreichen lassen. Denn die Authentizität der von den Beteiligten vorgelegten Textnachrichten sei bereits deshalb nicht gewährleistet, weil die Urheberschaft der Nachrichten mangels Preisgabe der Identität von Samenspender und Verfasser der Textnachrichten nicht feststellbar sei. 

Der BGH betonte abschließend, dass das schutzwürdige Interesse des durch eine private Samenspende gezeugten und in eine gleichgeschlechtliche Ehe oder Lebenspartnerschaft hineingeborenen Kindes an einem zweiten rechtlichen Elternteil nicht das grundrechtlich geschützte Interesse des leiblichen Vaters an der Erlangung der rechtlichen Vaterstellung oder auf Beteiligung am Verfahren überwögen. Vielmehr sichere die Benachrichtigung des Samenspenders von dem Adoptionsverfahren im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften dem Kind unter Wahrung der Rechte aller beteiligten Grundrechtsträger die rechtliche Anerkennung des zweiten Elternteils und schließe sie nicht aus.

Praxishinweis | BGH XII ZB 147/24

Der BGH stärkt mit seinem Beschluss die Rechte leiblicher Väter bei Adoptionen, insbesondere nach privater Samenspende. Er betonte, dass deren Beteiligung am Verfahren nicht ohne gründliche Prüfung als entbehrlich erachtet werden dürfe. Für die Praxis hat dies zur Folge, dass die Beteiligten in Adoptionsverfahren detaillierte und authentische Informationen zur Verfügung stellen müssen und die Rechte leiblicher Väter verfassungsrechtlich besonders geschützt sind. 

Der BGH hob insbesondere hervor, dass die Kindeswohlabwägung allein nicht ausreicht, um den Verzicht auf die Benachrichtigung zu rechtfertigen. Der Beschluss schafft so ein Gleichgewicht zwischen Kindeswohl, dem Wunsch der Annehmenden und den Rechten des leiblichen Vaters.