25.10.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Zweibrücken
09.05.2023
8 U 161/21
ZIP 2023, 2089
Der Kläger erwarb 2006 Genussrechtsbeteiligungen an einer österreichischen GmbH. 2016 erklärte er die ordentliche Kündigung zum 31.12.2018. Mit Wirkung zum 31.12.2018 wurde die österreichische GmbH auf die Beklagte, eine Kapitalgesellschaft nach dem Recht des Vereinigten Königreichs, verschmolzen. Mit Schreiben aus dem Februar 2019 erklärte die Beklagte dem Kläger, dass die Verschmelzung mit der „Umwandlung sämtlicher Genussrechtsbeteiligungen in Aktien der übernehmenden Gesellschaft“ einhergehe. Der Kläger erklärte am 21.02.2019 auf Rat der Beklagten hin die Rücknahme der ordentlichen Kündigung. Zusätzlich gab er die von der Beklagten vorgegebene Erklärung ab: „Ich bin mir bewusst, dass damit meine Beteiligung, die durch die Fusion der (GmbH) auf die (Beklagte) übergegangen ist, weiterhin Bestand hat.“ Am 23.07.2019 erklärte der Kläger (wiederholt) die Rücknahme der ordentlichen Kündigung und die außerordentliche, fristlose Kündigung einschließlich der Abrechnungs- und Rückzahlungsaufforderung aus der Genussrechtsbeteiligung. Die Abrechnung und Rückzahlung blieb aus. Daraufhin zog der Kläger vor das LG, das der Klage stattgab. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch bereits aufgrund der von ihm erklärten und von der Beklagten ausdrücklich bestätigten ordentlichen Kündigung zum 31.12.2018 zu. Der Anspruch auf Rückzahlung ergibt sich aus § 6 Abs. 4 der unstreitig vereinbarten Genussrechtsbedingungen. Der Einwand der Beklagten, dass die Genussrechtsbeteiligungen aufgrund der mit der Verschmelzung einhergehenden Umwandlung von Genussrechtsbeteiligungen in Aktien gar nicht mehr existent seien, greift nicht. Vielmehr bestand eine gesicherte Rechtsposition des anlegenden Klägers, die ihm durch die Umwandlung in Aktienbeteiligungen nicht mehr genommen werden konnte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rücknahme der wirksam gewordenen ordentlichen Kündigung. Diese war aufgrund der spätestens mit Ablauf des Jahres 2018 eingetretenen Rechtsfolgen im Februar 2019 gar nicht mehr möglich. Wie sich die Rücknahme einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens sowie eine ggf. nach der Rücknahme erklärte außerordentliche Kündigung der Beteiligung in Fällen wie dem vorliegenden auswirkt, wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird vertreten, dass den Anlegern weder ein Recht aus der ordentlichen Kündigung zustehe, noch bestehe ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung. Die Anleger hätten ihre Kündigung nach erfolgter Verschmelzung und entsprechender Mittelung seitens der Beklagten ausdrücklich zurückgenommen und sich mit einer Aktienbeteiligung einverstanden erklärt. Daran müssten sie sich festhalten lassen. Nach anderer Auffassung ist die erklärte Rücknahme wegen der bereits Ende 2018 eingetretenen Wirkung in Gestalt einer erfolgten Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis gar nicht mehr möglich gewesen. Dem schließt sich auch das OLG Zweibrücken an. Die ordentliche Kündigung richtet sich als rechtsgestaltende Willenserklärung auch gegen den Kündigenden. Entsprechendes gilt auch für die zusätzliche Erklärung, dass man sich des Fortbestands der Beteiligung bewusst sei. Eine Beteiligung des Klägers, die durch „Fusion“ auf die Beklagte „übergegangen“ sein könnte, hat schon bei Abgabe der Rücknahmeerklärung nicht mehr existiert und konnte somit zu diesem Zeitpunkt auch nicht „weiter Bestand“ haben.
Hinsichtlich der Prozesszinsen (§ 291 BGB) ist umstritten, ob es sich deren Höhe nach der lex fori (§ 288 Abs. 1 BGB), d.h. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, oder nach dem ansonsten anzuwendenden materiellen Recht richtet (§ 1333 Abs. 1, § 1334 S. 3, § 1000 ABGB). Das OLG folgt hier Letzterem, da es sich bei dem Zinsanspruch aus § 291 BGB um einen materiellrechtlich Anspruch handle, welcher durch die Rechtshängigkeit lediglich ausgelöst wird.
Da es sich in dem vorliegenden Fall um Genussbeteiligungen an einer österreichischen GmbH handelt, die auf eine Gesellschaft aus dem Vereinigten Königreich verschmolzen wurde, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte fraglich. Diese wurde sowohl vom LG als auch vom OLG bejaht. Das OLG schließt sich der Argumentation des LG an, wonach die internationale Zuständigkeit nach Art. 17 Abs. 1 lit. c, 18 EuGVVO vorliegt. Danach kann ein Verbraucher in dem Staat, in welchem sein Wohnsitz liegt, gegen seinen Vertragspartner klagen. Die Vorschriften der EuGVVO galten auch gegenüber der Beklagten als Partei aus dem Vereinigten Königreich, da das Verfahren noch vor Ende 2020 eingeleitet war. Das OLG betont außerdem, dass es bei der Geltendmachung von Rechten aus Genussrechtsbeteiligungen nicht um Gesellschafterrechte geht. Das Genussrecht gewährt kein gesellschaftlich geprägtes Mitgliedschaftsrecht. Somit scheitert die Verbrauchereigenschaft des Klägers nicht an einer vermeintlichen Gesellschafterstellung (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2023, 497).