26.12.2021
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BAG
27.04.2021
2 AZR 540/20
NJW 2021, 2059
Kündigungsschutz: Der Arbeitnehmerbegriff i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG [ PDF ]
(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)
Nachdem der Kläger seit Dezember 2016 bei der Beklagten beschäftigt war, kündigte diese das Arbeitsverhältnis ordentlich mit Schreiben vom 21.06.2019 zum 31.07.2019. Die Beklagte beschäftigte zum Kündigungszeitpunkt 8,5 Arbeitnehmer. Der Kläger wandte sich mit seiner Klage gegen die Kündigung, da diese sozial nicht gerechtfertigt sei. Da die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten als Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien, finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Ebenfalls sei die Kündigung sitten- und treuwidrig.
Nachdem die Vorinstanzen dem Klageabweisungsantrag der Beklagten entsprochen haben. Der Kläger legt Revision ein.
Die Revision sei unbegründet, da der Kündigungsschutzantrag unbegründet sei.
Der Klageantrag sei als Antrag im Sinne des § 4 Satz 1 KSchG zu verstehen. Mit der Kündigung vom 21.06.2019 habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis wirksam aufgelöst. Zwar sei den Ausführungen des Berufungsgerichts, die Kündigung bedurfte nicht der sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG, im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings folge die Tatsache, dass die Beklagte nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, nicht bereits aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Da die Norm die Geltung der in ihr normierten negativen Fiktion auf den ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes beschränkt, könne § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht auf § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG (vierter Abschnitt) angewendet werden. Es liege auch kein Wertungswiderspruch darin, einem Fremdgeschäftsführer zwar den Kündigungsschutz zu versagen, ihn aber bei der Berechnung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG miteinzubeziehen. Für eine analoge Anwendung der negativen Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Dennoch stelle sich das Berufungsurteil als richtig im Sinne von § 561 ZPO dar. Der Kläger habe trotz der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht dargelegt, dass es sich bei den Fremdgeschäftsführern um Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG handele. Es fehle zunächst am Tatsachenvortrag zum Beschäftigungsumfang der Fremdgeschäftsführer. Darüber hinaus fehle es an einer Behauptung, die Geschäftsführer würden aufgrund eines Arbeitsvertrags im Sinne des § 611a Abs. 1 BGB beschäftigt. Der Regelfall sei nämlich, dass der Geschäftsführer einer GmbH im Rahmen eines freien Dienstvertrags tätig ist. Er sei zwar weisungsgebunden, eine mit einem Arbeitnehmer vergleichende Weisungsgebundenheit sei jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Dass das Berufungsgericht einen solchen Ausnahmefall nicht angenommen hat, halte sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums.
Entgegen der Ansicht des Revisionsgerichts sei der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff bei der Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht heranzuziehen, da es sich bei dem Kündigungsschutzgesetz um nationales Recht handele, das nicht unionsrechtlich determiniert sei.
Entgegen der Auffassung der Revision sei eine generelle Ausdehnung des Arbeitsnehmerbegriffs des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf Fremdgeschäftsführer einer GmbH verfassungsrechtlich nicht geboten. Unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer sei es nicht erforderlich, den Arbeitnehmerbegriff der Kleinbetriebsklausel auf Fremdgeschäftsführer auszudehnen, da auch gerade die Tätigkeiten der Fremdgeschäftsführer mit denen der Arbeitnehmer nach ihrer sozialen Typik nicht vergleichbar seien. Daher handele der Gesetzgeber bei der Festlegung der maßgeblichen Betriebsgröße durch die Zahl der vollbeschäftigten „Arbeitnehmer“ innerhalb seines weiten Gestaltungsspielraums.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Auswahlentscheidung, den Kläger zu kündigen, das gebotene Maß an sozialer Rücksichtnahme unbeachtet gelassen habe und, dass die Kündigung deshalb wegen Verstoßes gegen die zivilrechtlichen Generalklauseln nichtig wäre. Darüber hinaus sei die Kündigung auch aus anderen Gründen nicht treu- und sittenwidrig im Sinne von §§ 242, 138 Abs. 1 BGB.
Sollte ein Arbeitnehmer eine Kündigung auf dem Klageweg angreifen wollen, liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer. Demnach sollten alle Tatsachen, die vom Kläger in Frage gestellt werden, ausreichend widerlegt werden. Insbesondere, wenn der Arbeitnehmer davon ausgeht, es liege ein Ausnahmefall vor, welcher vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt wurde, reicht dessen Behauptung als Beweis nicht aus. Gerade dann sollten dem Gericht Anhaltspunkte geliefert werden, die diesen Standpunkt untermauern. Ansonsten liegt es beim Gericht den Sachverhalt unter der Rechtslage zu subsumieren.