OLG Stuttgart 6 U 139/24
Mithaftung als Gesamtschuldner aufgrund eines Schuldbeitritts für die Erfüllung eines Darlehensvertrages

08.09.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
29.04.2025
6 U 139/24
GWR 2025, 219 (Vitt)

Leitsatz | OLG Stuttgart 6 U 139/24

Ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer, der die Mithaftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft übernimmt, handelt nur dann als Verbraucher, wenn die Haftungsübernahme auf einem eigenständigem Willensentschluss als Privatperson beruht.

Sachverhalt | OLG Stuttgart 6 U 139/24

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von 65.000 EUR nebst Zinsen aufgrund seines Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der Firma W A S vom 07.10.2019. Die Klägerin, ein Schmierstoffhersteller, beabsichtigte den Markteintritt in der Türkei und finanzierte über zwei Darlehensverträge mit der W A S, die als Importlizenznehmer agierte, die hierfür notwendige Kaution bei den türkischen Finanzbehörden. Der Beklagte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Alleingeschäftsführer, Vorstandsvorsitzender und alleiniger Gesellschafter der W A S, verpflichtete sich gemäß § 5 des Darlehensvertrags zur Mithaftung als Gesamtschuldner. Auf Grundlage dieses Schuldbeitritts verlangt die Klägerin Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst Zinsen.

Das LG Heilbronn hat der Klage stattgegeben und insbesondere die Verbrauchereigenschaft des Beklagten verneint. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.

Entscheidung | OLG Stuttgart 6 U 139/24

Die Berufung der Beklagten hatte überwiegend Erfolg.

Die zulässige Berufung des Beklagten hatte in Bezug auf die Hauptforderung keinen Erfolg. 

Zwischen der Klägerin und der Firma W A S wurde am 7. Oktober 2019 ein Darlehensvertrag über 65.000 EUR geschlossen, dessen Rückzahlung am 30. März 2019 fällig war. Die Zinsen sind mit 0,5 % p.a. vertraglich geregelt. Ein Fehlen einer Unterschrift im vorgelegten Vertragsexemplar ist unbeachtlich, da für Unternehmerdarlehen keine Schriftform erforderlich ist. Selbst wenn man den Beklagten als Verbraucher ansehen würde, gilt das Schriftformerfordernis nach § 492 Abs. 1 BGB nur für den Schuldbeitritt, nicht aber für den Darlehensvertrag selbst, der kein Verbraucherdarlehensvertrag ist. Eine vertragliche Wirksamkeitsvoraussetzung durch Schriftform wurde nicht behauptet.
Der Beklagte hat für die Verbindlichkeiten der Darlehensnehmerin gem. § 5 Abs. 1 des Vertrags die Mithaftung als Gesamtschuldner übernommen. Sein Einwand, er habe den Schuldbeitritt als Verbraucher erklärt und es seien daher die Vorschriften über Verbraucherdarlehen (§§ 491 ff. BGB) anzuwenden, greift nicht durch.

Zwar ist der Schuldbeitritt eines Verbrauchers nach ständiger Rechtsprechung des BGH einem Verbraucherdarlehensvertrag gleichzustellen, wenn der zugrundeliegende Darlehensvertrag von einem Unternehmer gewährt wird. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Darlehensvertrag jedoch zu gewerblichen Zwecken abgeschlossen und ist somit Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB. Entscheidend ist, dass der Beklagte den Beitritt nicht als Verbraucher, sondern als wirtschaftlicher Eigentümer und Alleingesellschafter der Darlehensnehmerin erklärt hat. Die Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung diente der Absicherung des gewerblichen Geschäfts und beruhte nicht auf einem eigenständigen Willensentschluss des Beklagten als Privatperson. Die Rechtsprechung des BGH bestätigt, dass Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH nur dann als Verbraucher gelten können, wenn die Haftungsübernahme auf einem privat-persönlichen Willensentschluss basiert. Im hier entschiedenen Fall lag jedoch eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Beklagten und der Gesellschaft vor, sodass die Haftung überwiegend dem Gewerbebetrieb zuzurechnen ist. Die Klägerin war zudem auf die persönliche Haftung des Beklagten als wirtschaftlich Berechtigtem angewiesen, um das mit der Darlehensvergabe verbundene Risiko abzusichern.

Eine Nichtigkeit des Schuldbeitritts wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB wurde zu Recht verneint. Die Rechtsprechung schützt den Kreditgeber, der auf die persönliche Haftung der maßgeblich beteiligten Gesellschafter vertrauen darf, und setzt grundsätzlich voraus, dass der Gesellschafter aus wirtschaftlichen Erwägungen handelt. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine Ausnutzung, Irreführung oder sonstige Willensmängel vor. Auch die Bedingung der Darlehensvergabe durch Übernahme der persönlichen Haftung ist nicht sittenwidrig.

Somit hat das LG hat zutreffend festgestellt, dass der Beklagte aufgrund seines erklärten Schuldbeitritts nach § 5 Abs. 1 des Darlehensvertrags vom07. Oktober 2019 gegenüber der Klägerin gesamtschuldnerisch haftet. Lediglich hinsichtlich der Höhe der Verzugszinsen bedarf die Entscheidung einer Korrektur.

Praxishinweis | OLG Stuttgart 6 U 139/24

Vitt weist darauf hin, dass die Entscheidung erhebliche Risiken für Gesellschafter-Geschäftsführer von Ein-Mann-Gesellschaften offenlegt. Er betont, dass die Verbraucherschutzvorschriften nur dann Anwendung finden, wenn die Haftungsübernahme unabhängig von der gewerblichen Tätigkeit erfolgt. Bei Personen, die sowohl Alleingesellschafter als auch Alleingeschäftsführer sind, sei dies jedoch kaum vorstellbar. In der Regel handeln diese bei der Mithaftung für Gesellschaftsdarlehen im gewerblichen Rahmen. Vitt empfiehlt daher aus anwaltlicher Sicht, den Verbraucherbegriff eng auszulegen, wenn ein Organmitglied für Verbindlichkeiten seiner eigenen Gesellschaft einsteht, da meist ein geschäftlicher Zusammenhang vorliegt, der der Verbrauchereigenschaft entgegensteht. Etwaige private Beweggründe, die über die geschäftliche Rolle hinausgehen, sollten sorgfältig dokumentiert und klar herausgestellt werden.