BGH IV ZR 73/08
Pflichtteilsergänzung bei Lebensversicherung

21.12.2011

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.04.2010
IV ZR 73/08
ZEV 2010, 305

Leitsatz | BGH IV ZR 73/08

  1. Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenkweise zu, so berechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Absatz 1 BGB weder nach der Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien.
  2. Die Pflichtteilsergänzung richtet sich vielmehr allein nach dem Wert, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann ggf. auch ein – objektiv belegter – höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein.

Sachverhalt | BGH IV ZR 73/08

Der Erblasser hatte seinen Bruder (B) als Erben und widerruflich als Bezugsberechtigten einer auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherung eingesetzt. Der enterbte Sohn möchte im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs die Lebensversicherung in Höhe der an B ausgezahlten Todesfallleistung ansetzen.

Entscheidung | BGH IV ZR 73/08

Bis zu dieser Entscheidung entsprach es der vom RG begründeten (RGZ 128, 187.) und vom BGH fortgeführten (BGH v. 04.02.1976 – IV ZR 156/73, BeckRS 1976, 31116669, FamRZ 1976, 616.) Rechtsprechung, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch sich in derartigen Fällen alleine an der Höhe der vom Erblasser gezahlten Prämien orientiert.

Der BGH hat unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die Pflichtteilsergänzung sich allein nach dem Wert richtet, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. Dabei ist i. d. R. der Rückkaufwert maßgeblich. Je nach Lage des Einzelfalles kann ggf. auch ein objektiv belegter höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein. Wertobergrenze bleibt hierbei der Wert des Anspruchs des Bezugsberechtigten auf die Versicherungsleistung selbst.

In der Entscheidung hat der BGH zur Bestimmung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs eine Differenzierung zwischen dem Schenkungsgegenstand im Valutaverhältnis sowie dem „verschenkten Gegenstand” und damit zwischen Tatbestand und Rechtsfolge des § 2325 Abs. 1 BGB vorgenommen. Im Rahmen der Rechtsfolge des § 2325 Abs. 1 BGB ist nicht auf den Schenkungsgegenstand im Valutaverhältnis (Bereicherungsgegenstand), sondern auf den Gegenstand abzustellen, um den das Vermögen des Erblassers verringert wird (Entreicherungsgegenstand). Als Entreicherungsgegenstand wurde der Wert der Lebensversicherung unmittelbar vor dem Tod des Erblassers angesehen (Karczewski, ZEV 2010, 223, 225.).

Praxishinweis | BGH IV ZR 73/08