31.12.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Brandenburg
24.09.2025
7 U 146/24
ZPG 2025, 435
In einer durch erhebliche gesellschaftsinterne Auseinandersetzungen geprägten Situation übernahm der Beklagte sämtliche Geschäftsanteile der später insolvent gewordenen GmbH. Der Kaufpreis betrug 250.000 EUR. Anschließend bestellte er sich zum Geschäftsführer. Zum Zeitpunkt seines Eintritts wies die Gesellschaft ein Bankguthaben von 800.500 EUR bei nur geringfügigen Verbindlichkeiten auf.
Kurz nach seiner Bestellung schloss der Beklagte für die GmbH einen Investorenvertrag ab, der eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von insgesamt 1.835.000 EUR begründete und damit die vorhandene Liquidität in gravierender Weise überschritt. Im Anschluss veranlasste er die Überweisung des vollständigen Kontobestands von 800.500 EUR zugunsten seiner Person sowie einer Aktiengesellschaft, bei der er Vorstandsvorsitzender war.
Der Insolvenzverwalter verlangt von dem Beklagten die Rückgewähr des entnommenen Betrags unter Berufung auf den Haftungstatbestand des § 43 Abs. 2 GmbHG sowie zusätzlich auf deliktische Ansprüche aus § 826 BGB wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs.
Das OLG Brandenburg wies die Berufung ab. Das LG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage zulässig und begründet ist. Der Insolvenzverwalter habe den von ihm geltend gemachten Rückzahlungsanspruch. Der Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG sei gegeben, da der Beklagte die Pflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters nach § 43 Abs. 1 GmbHG in erheblicher Weise missachtet habe. Der Kontostand der Insolvenzschuldnerin habe am 03.09.2021 unstreitig 800.500 € betragen. Sie habe zu diesem Zeitpunkt keine Arbeitnehmer, geringe Kosten und geringe Verbindlichkeiten. Mit größeren Geldeingängen sei dementsprechend nicht zu rechnen gewesen. Durch die vollständige Abschöpfung des Kontoguthabens ohne jegliche Gegenleistung sowie den zuvor geschlossenen, wirtschaftlich ruinösen Vertrag habe der Geschäftsführer seine Organstellung zur eigenen Vorteilsziehung missbraucht und der Gesellschaft einen massiven Schaden zugefügt.
Eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich. Im Insolvenzfall überwögen die kollektiven Gläubigerinteressen.
Des Weiteren sei auch der deliktische Anspruch aus § 826 BGB erfüllt. Ein existenzvernichtender Eingriff liege vor, weil dem Gesellschaftsvermögen in vorsätzlich-sittenwidriger Weise Vermögenswerte entzogen worden seien, die nach der Zwecksetzung des GmbH-Rechts der Gläubigerbefriedigung zu dienen hätten. Maßgeblich sei der kompensationslose Abfluss des Vermögens zugunsten des Beklagten bzw. eines von ihm beherrschten Dritten, der die Insolvenz herbeigeführt oder zumindest vertieft habe.
Für die Haftung nach § 826 BGB sei Vorsatz erforderlich, der sich auf die tatsächlichen Umstände beziehen müsse, welche die Sittenwidrigkeit begründen. Der BGH sehe die Sittenwidrigkeit in dem Verhalten des Gesellschafter-Geschäftsführers, der sich vor den Gesellschaftsgläubigern aus dem Vermögen der Gesellschaft bediene. Es genüge, dass der Beklagte die voraussehbare Vermögensbeeinträchtigung der Schuldnerin und die damit verbundene Gefährdung der Gläubiger in Kauf genommen habe. Eines Bewusstseins der Sittenwidrigkeit bedürfe es nicht (OLG Bamberg v. 27. 11. 2024 –3 U 49/23; BGH v.16.07.2007 –II ZR 3/04). Diese Voraussetzungen sieht das OLG Brandenburg erfüllt.
Ferner führt das OLG Brandenburg aus, dass auch der Feststellungsantrag bezüglich der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden zulässig und begründet sei. Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO sei gegeben, da angesichts der Insolvenz Schäden entstanden sein könnten, die über die entnommenen Beträge hinausgingen.
Schließlich sei auch festzustellen, dass die titulierten Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Beklagten resultieren (s.o. 826 BGB). Das erforderliche Feststellungsinteresse sei mit Blick auf § 302 Nr. 1 InsO zu bejahen.
Die Entscheidung bestätigt die ständige höchstrichterliche Linie zur Existenzvernichtungshaftung und zur organschaftlichen Innenhaftung im Insolvenzkontext.
Der BGH hat in der Grundsatzentscheidung Trihotel (BGH, Urt. v. 16.07.2007 – II ZR 3/04, BeckRS 2007, 12790) hervorgehoben, dass die Existenzvernichtungshaftung als deliktischer Innenhaftungsanspruch aus § 826 BGB einzuordnen ist. Kern des Tatbestands bleibt der missbräuchliche und kompensationslose Abzug von Vermögenswerten aus dem Gesellschaftsvermögen, das der Gläubigerbefriedigung dient.
Die Anforderungen an den Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB sind nach ständiger BGH-Rechtsprechung gering: Es genügt die Inkaufnahme der insolvenzverursachenden oder insolvenzvertiefenden Wirkung in Kenntnis der für die Sittenwidrigkeit maßgeblichen Umstände (BGH, Urt. v. 09.02.2009 – II ZR 292/07, BeckRS 2009, 10357).
Die vorliegende Entscheidung folgt darüber hinaus auch der gefestigten Rechtsprechung, dass bei eröffnetem Insolvenzverfahren die Gläubigergesamtheit Vorrang gegenüber gesellschaftsrechtlichen Binnenbefugnissen hat. Eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG ist nicht erforderlich, wenn der Insolvenzverwalter Ansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG verfolgt (BGH, Urt. v. 18.06.2013 – II ZR 86/11, BeckRS 2013, 14783).
Für Geschäftsführer sind Fällen der Vermögensabschöpfung und damit die ggf. vorliegende existenzvernichtende Eingriff hoch gefährlich. D&O – Versicherungen schließen Vorsatz i.d.R. aus.