18.10.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG München
03.08.2023
16 WF 193/23e
FGPrax 2023, 266
Die Beschwerdeführerin M war gesetzliche Vertreterin ihres im Jahr 2005 geborenen Kindes (im Folgenden: betroffenes Kind) und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin einer GmbH, welche wiederum Komplementärin einer GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) ist. Der Unternehmensgegenstand der KG besteht in der Vermietung und Verwaltung von Grundbesitz. M und der Onkel O des betroffenen Kindes waren als Kommanditisten jeweils mit einer volleingezahlten Einlage i.H.v. 400 EUR an der KG beteiligt. Nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages war die Übertragung von Geschäftsanteilen an der KG mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung auf Dritte zulässig.
Am 15.12.2022 splittete O seinen Kommanditanteil in zwei Anteile zu je 194 EUR und einen Anteil zu 12 EUR, welchen er selbst weiter halten wollte, auf. Hinsichtlich eines Teilanteils zu 194 EUR gab er auf den Abschluss eines Schenkungs- und Übertragungsvertrags gerichtete Erklärungen gegenüber seinem Neffen, dem betroffenen Kind, ab. Dabei stand die Schenkung u.a. unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des O. Die Gesellschafter erklärten ihre Zustimmung zu der Übertragung der Geschäftsanteile.
Das Familiengericht verfügte am 27.01.2023, dass nach seiner vorläufigen Auffassung die Anerkennung eines lediglich vorteilhaften Rechtsgeschäfts zugunsten des betroffenen Kindes abzulehnen sei, da die Übertragung des Gesellschaftsanteils nicht unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung ins Handelsregister erfolgt sei. Zudem ordnete es auf Antrag der Beschwerdeführerin für das Kind die Bestellung eines Ergänzungspflegers an, welcher damit beauftragt wurde, das Kind in Bezug auf die Übertragung des Kommanditanteils zu vertreten. In ihrer Beschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht erfüllt waren, da das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft für das Kind sei.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach Auffassung des OLG München sei die Beschwerdeführerin gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 2, 181 BGB nicht von der Befugnis ausgeschlossen, das betroffene Kind bei der Annahme des Angebots zum Abschluss eines Schenkungsvertrags zu vertreten. Ein Insichgeschäft liege nicht vor, da das Angebot zum Vertragsabschluss der Onkel O abgegeben habe. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht gemäß § 1824 I Nr. 1 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen, da sie mit dem Schenker O als ihrem Bruder nicht in gerader Linie, sondern lediglich in der Seitenlinie verwandt sei (§ 1589 S. 2 BGB). Aus denselben Gründen sei die Beschwerdeführerin auch nicht bei der dinglichen Übertragung des Kommanditanteils gem. §§ 398, 413 BGB von der Vertretung ihres Kindes ausgeschlossen.
Das Familiengericht stelle zwar zutreffend fest, dass der gesetzliche Vertreter eines Kindes gem. §§ 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 2, 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossen ist, wenn das Kind durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags für eine Personengesellschaft Gesellschafter werden oder in die Gesellschaft eintreten soll, sofern das Geschäft für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Diese Voraussetzungen seien jedoch hier nicht erfüllt, da das betroffene Kind nicht am Abschluss des Vertrags zur Gründung der Kommanditgesellschaft beteiligt war und auch nicht durch Abschluss eines ändernden Gesellschaftsvertrages mit den aufnehmenden Gesellschaftern in die Gesellschaft eintritt. Das betroffene Kinder erlange die Gesellschafterstellung vorliegend kraft Übertragung eines bestehenden Kommanditanteils durch O.
Das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Veräußerung eines Anteils durch einen Gesellschafter führe ebenfalls nicht zu einem Ausschluss der Vertretungsbefugnis. Die Zustimmung stelle ein einseitiges Rechtsgeschäft dar. § 181 BGB sei jedoch auf einseitige Rechtsgeschäfte nur anwendbar, wenn der Vertreter des Erklärenden gleichzeitig auch der Empfänger der Erklärung ist. Diese Voraussetzungen seien in diesem Fall nicht erfüllt, da der Empfänger der Erklärung der Onkel des betroffenen Kindes sei oder, falls man die Beteiligung des Gesellschafters an der Beschlussfassung berücksichtigt, die Gesellschafterversammlung, an der das betroffene Kind (noch) nicht beteiligt ist.
Abschließend führt das OLG München ergänzend aus, dass die Übertragung des Kommanditanteils für das betroffene Kind zudem lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Entscheidend für die Beurteilung eines Rechtsgeschäfts als nachteilhaft (bzw. lediglich rechtlich vorteilhaft) sei, ob die Übertragung des Gesellschaftsanteils unmittelbar persönliche Verpflichtungen des Erwerbers auslöst, die eine Haftung mit seinem über den übertragenen Anteil hinausgehenden (privaten) Vermögen begründen könnten. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Hafteinlage bereits vollständig geleistet wurde und weitere persönliche Ansprüche des Pfleglings gegenüber der Gesellschaft nur durch Handlungen entstehen können, bei denen der Pflegling durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten wird. Darüber hinaus ist das Geschäft auch nicht deshalb nicht ausschließlich rechtlich vorteilhaft, weil die Übertragung des Kommanditanteils nicht an die Bedingung der vorherigen Eintragung im Handelsregister geknüpft ist. Durch die Neufassung von § 176 Abs. 2 HGB durch MoPeG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass die unbeschränkte Haftung eines eintretenden Kommanditisten nur gelten solle, wenn dieser einen neuen Anteil erwerbe, nicht aber, wenn ihm ein bereits bestehender Anteil übertragen werde, für den die Einlage vollständig eingezahlt ist. Dies hat der Gesetzgeber dadurch klargestellt, dass in den Wortlaut des § 176 Abs. 2 HGB vor das Wort Kommanditist das Wort „weiterer“ eingefügt wird.
Nach Auffassung des OLG München (und somit nun bundesweit!) ist für die unentgeltliche Schenkung eines volleingezahlten, eingetragenen Geschäftsanteils an einer Kommanditgesellschaft auf einen Minderjährigen als lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft (§ 107 BGB) zukünftig weder die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers noch diejenige des gesetzlichen Vertreters erforderlich.
Wenn ein Minderjähriger durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags oder den Eintritt in eine Kommanditgesellschaft zum Kommanditisten werden soll, bedarf es hingegen der Vertretung durch seinen gesetzlichen Vertreter und, falls die KG ein Erwerbsgeschäft betreibt, der Genehmigung des Familiengerichts (vgl. §§ 1643 Abs. 1, 1852 Nr. 1b bzw. Nr. 2 BGB). Ein Pfleger ist gem. § 1809 BGB (i.V.m. §§ 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 2, 181 BGB) erforderlich, wenn der gesetzliche Vertreter selbst Mitgesellschafter ist.