16.08.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Celle
14.12.2022
15 UF 137/21
RNotZ 2023, 589
Die Beteiligten sind Eheleute. Die Beteiligte zu 1) ist Deutsche, der Beteiligte zu 2) ist libanesischer Staatsbürger. Die Beteiligten haben bei der Eheschließung in notariellem Ehevertrag vom 27.09.1996 insb. den Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Seit dem 30.08.2018 leben die Beteiligten nun getrennt. Der Scheidungsantrag des Beteiligten zu 2) wurde der Beteiligten zu 1) am 25.07.2019 zugestellt. Die Beteiligte zu 1) verlangt vom Beteiligten zu 2) Auskunft über dessen Anfangsvermögen vom 27.09.1996, sein Trennungsvermögen vom 30.08.2018, sowie sein Endvermögen vom 25.07.2019. Der Beteiligte zu 2) ist dem unter Verweis auf die vereinbarte Gütertrennung nicht nachgekommen.
Erstinstanzlich wurde der Auskunftsantrag der Beteiligten zu 1) abgewiesen. Hiergegen wendet sich ihre Beschwerde.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Ehevertrag ist insgesamt unwirksam.
Eine Unwirksamkeit ergibt sich jedoch - anders als die Beteiligte zu 1) meint - nicht wegen des Verstoßes gegen die sog. ordre public gem. Art. 6 EGBGB. Art. 6 EGBGB setzt nämlich die Anwendbarkeit ausländischen Rechts voraus. Daran fehlt es hier.
Es wurde seitens der Beteiligten keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen. Auch eine stillschweigende Wahl ausländischen Rechtes wurde nicht vorgenommen. Zwar wäre aufgrund der libanesischen Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 2) eine Rechtswahl zugunsten libanesischen Rechtes für das Güterrecht zulässig gewesen, Art. 15 Abs. 2 EGBGB a.F. Auch eine Wahl des libanesischen Rechtes wäre hinsichtlich der Scheidung gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom-III-VO ebenso möglich gewesen, wie in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt, Art. 8 Abs. 1 lit. a) HUntProt.
Jedoch liegt hier keine stillschweigende Rechtswahl vor. Das Gericht erkennt keine eindeutigen Anhaltspunkte, dass libanesisches Recht hätte gelten sollen. Insbesondere die Vereinbarung von Gütertrennung entspricht vollumfänglich derjenigen des deutschen Rechtes.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die übrigen Bestimmungen des Ehevertrages entscheidend von den Regelungen des BGB abweichen und inhaltlich den Vorstellungen des islamischen Kulturkreises entsprechen. Der Ehevertrag der Beteiligten entspricht dabei weitestgehend dem Mustertext des Bundesverwaltungsamtes für „Islamische Eheverträge“. Auch wurde der Ehevertrag unter Anwesenheit zweier muslimischer Zeugen geschlossen - ein Formerfordernis in vielen islamisch geprägter Staaten. Zuletzt wurde der beurkundende Notar von Haftung für „Nicht- oder Falschanwendung anderen als des Deutschen Rechtes“ freigestellt. Insgesamt deutet dies darauf hin, dass die Beteiligten möglicherweise von der Anwendung ausländischen Rechtes angingen oder dies jedenfalls für möglich hielten.
Für eine konkludente ehewirkungsrechtliche Rechtswahl ist dies jedoch nicht ausreichend. Um den Formerfordernissen für Eheverträge gerecht zu werden, ist vielmehr der Abschluss des Ehevertrages eindeutig auf der Basis eines bestimmten Rechtes, sowie die Regelung (auch) von allgemeinen Ehewirkungen, nicht bloß des Güterrechts erforderlich. Dies ist hier nicht gegeben. Vor allem wird nicht eindeutig auf das Recht des Libanon Bezug genommen. Der verwendete Mustertext des Bundesverwaltungsamtes für „Islamische Eheverträge“ wurde zudem für Eheschließungen mit einem ägyptischen, syrischen oder jordanischen Mann entworfen und dies auch nur für solche Fälle, in denen ein Zusammenleben zumindest auch im Heimatland des Mannes stattfindet. Die Beteiligten haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt jedoch seit der Eheschließung in Deutschland. Insgesamt ist daher deutsches Sachrecht sowohl für den Ehevertrag, als auch für die Scheidung und das nacheheliche Güterrecht anzuwenden.
In dem Ehevertrag der Beteiligten ist der Beteiligten zu 1) unter Nennung von Scheidungsgründen nur beschränkt das Recht zur Scheidung eingeräumt - anders als dem Beteiligten zu 2). Nach st. Rechtsprechung unterliegen Eheverträge, soweit Scheidungsfolgen betroffen sind, einer Kontrolle anhand der §§ 138, 242 BGB. Für den vorliegenden Fall ergibt dies daher die Unwirksamkeit des vertraglich vereinbarten teilweisen Ausschlusses des Scheidungsrechtes der Beteiligten zu 1). Die Scheidungsvorschriften gem. §§ 1564ff. BGB sind Ausdruck der negativen Eheschließungsfreiheit gem. Art. 6 Abs. 1 GG und als solche nicht disponibel.
Zudem beinhalten die Regelungen bzgl. des nachehelichen Unterhalts, die diesen von einem Verschulden des Ehemannes abhängig machen, ebenfalls eine erhebliche Schlechterstellung der Beteiligten zu 1). Eine Kompensation durch gleichwertige Gewährung von Rechten ist nicht erfolgt.
Gem. § 138 Abs. 1 BGB führen die Unwirksamkeit der Regelungen bzgl. der Ehescheidung und des nachehelichen Unterhaltes aufgrund der ausnahmslosen Benachteiligung der Beteiligten zu 1) bei Gesamtbetrachtung zwingend zur Gesamtnichtigkeit des Ehevertrages; die vereinbarte Salvatorische Klausel vermag daran nichts zu ändern.
Daher ist auch die vereinbarte Gütertrennung unwirksam, § 139 BGB.
Der Beteiligten zu 1) steht somit der geltend gemacht Auskunftsanspruch gem. § 1379 BGB zu.
Soll für den Ehevertrag eine Rechtswahl vorgenommen werden, so empfiehlt es sich, diese stets ausdrücklich zu benennen. Die Hürden für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl sind hoch - insbesondere muss dabei die bezweckte Geltung einer bestimmten Rechtsordnung eindeutig zum Ausdruck gelangen. Kommen mehrere Rechtsordnungen in Betracht, so reicht nicht schon der Umstand aus, dass ein Ehepartner die Staatsangehörigkeit eines der Staaten mit möglicher Rechtsordnung innehat.
Aus einer umfassenden und ausnahmslosen Benachteiligung einer Partei im Ehevertrag folgt gem. § 139 BGB Gesamtnichtigkeit. Daran ändert auch eine Salvatorische Klausel nichts.
Beachte: Die wegen grundlegender Bedeutung insb. hinsichtlich der verwendeten Musterformulierung des Bundesverwaltungsamtes zugelassene Rechtsbeschwerde beim BGH wurde erfolgreich eingelegt. Der BGH hat die Sache an das OLG Celle zurückverwiesen. Das OLG müsse „bei der Auslegung des Vertrags […] überprüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die ehevertraglichen Vereinbarungen nach den Vorstellungen der Beteiligten neben das deutsche Gesetzesrecht treten sollten, etwa für den Fall, dass ein mit der Ehescheidung der Beteiligten oder einer sonstigen Auslegung des Ehevertrags befasstes Gericht libanesisches Recht anwendet“. Auch mit dem Ausmaß des Ausschlusses beidseitiger Unterhaltsansprüche, sowie der (hier vernachlässigten) Sorgerechtsregelung müsse sich das OLG genauer befassen. Komme das OLG aber unter Berücksichtigung dieser Aspekte zum selben Auslegungsergebnis, so stimmt der BGH im Ergebnis den ursprünglichen rechtlichen Bewertungen des OLG größtenteils zu.