23.09.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
29.11.2023
22 U 60/23
ZEV 2024, 122
Die Kläger hatten sich mit dem Verkäufer (im Folgenden: der Erblasser) auf den Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks geeinigt. Entwürfe eines notariellen Kaufvertrags wurden entsprechend an die Parteien übermittelt. Bevor es jedoch zum Abschluss des Vertrags kam, wurde der Erblasser aufgrund eines Verkehrsunfalls durch Beschluss des AG Leer unter rechtliche Betreuung gestellt, wobei seine Ehefrau – die Beklagte zu 1) – zur Betreuerin ernannt wurde.
Am 28.04.2020 wurde ein Kaufvertrag notariell beurkundet. Aufgrund der Corona-Pandemie trat für beide Seiten eine vollmachtlose Vertreterin auf. Sowohl die Kläger als auch die Beklagte zu 1) genehmigten das Handeln der vollmachtlosen Vertreterin. Der Erblasser verstarb jedoch, ohne dass zuvor eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erfolgt war. Er wurde von der Beklagten zu 1) zu 1/2 und den Beklagten zu 2) und 3) zu jeweils 1/4 beerbt. Die Beklagten zu 2) und 3) erteilten keine Genehmigung.
Im November 2021 wurde durch das AG Leer das Nachlassinsolvenzverfahren über das Vermögens des Erblassers eröffnet. Die Kläger begehren mit ihrer Klage den Ersatz von Aufwendungen in Form von Miet-, Notar- und Finanzierungskosten. Das LG wies die Klage ab. Die Kläger verfolgen mit der Berufung ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil des LG weise keine Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO auf und die gem. §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere – für die Kläger günstigere – Entscheidung.
Zunächst stellt das BerGer. fest, dass die Klage in Bezug auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich der Notarkosten gem. § 426 Abs. 2 S. 1 BGB bereits unzulässig sei, da es sich hierbei nicht um Eigenschulden der Beklagten handle, sondern um Nachlassschulden, welche nur gegenüber dem Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht werden könnten.
Im Übrigen sei die ansonsten zulässige Klage unbegründet. Nach Auffassung des OLG Hamm stehe den Klägern ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagten auf Ersatz der von ihnen nutzlos getätigten Aufwendungen nicht zu.
Aufgrund der Aufnahme von Verhandlungen i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestehe zwar ein Rücksichtnahmepflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB begründendes vorvertragliches Schuldverhältnis. Jedoch ergebe sich aus dem Vortrag der Kläger weder eine (Treue-) Pflichtverletzung des Erblassers, welche den Beklagten zuzurechnen wäre, noch der Beklagten selbst. Grundsätzlich trage jede Partei selbst das Risiko, dass es trotz der Aufnahme von Vertragsverhandlungen und der Tätigung von Aufwendungen im Vertrauen auf dessen Zustandekommen nicht zu einem Abschluss des Vertrages kommt.
Bei einem Grundstückskaufvertrag seien an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner löse nur Schadensersatzansprüche aus, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt. Die Tätigung von Aufwendungen durch den Kaufinteressenten könne schon deshalb nicht als besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung angesehen werden, da ansonsten der Kaufinteressent die Möglichkeit hätte, den Verkäufer indirekt zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags zu bewegen, obwohl ein formgültiger Vertrag gem. § 311b BGB noch nicht zustande gekommen ist. Eine besonders schwere Treuepflichtverletzung liege beispielsweise vor, wenn ein Verhandlungspartner eine tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft vorspiegelt oder im Verlauf der Verhandlungen innerlich von seiner ursprünglichen Abschlussbereitschaft abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren. Diese Ausführungen gälten entsprechend bei der Einschaltung eines vollmachtlos vertretenen Vertragspartners sowie der nicht erteilten Genehmigung des Rechtsgeschäfts.
Das OLG Hamm führt aus, dass ein triftiger Grund für die verweigerte Genehmigung bereits vorliege, wenn der Beklagte zu 3) ein eigenes, unwiderlegt tatsächlich bestehendes Interesse an der Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks geltend mache. Ein solches Motiv hätte auch in Form eines Sinneswandels beim Erblasser eintreten können, ohne dass dies eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung begründen würde. Gleiches gelte für den weiteren Grund der Verweigerung der Genehmigung, dass der vereinbarte Kaufpreis unangemessen niedrig war. Auch, dass der Beklagte zu 3) sein Interesse an einer eigenen Nutzung des Grundstücks nicht zu einem früheren Zeitpunkt offengelegt habe, stelle kein widersprüchliches Verhalten dar, da die Beklagten zu 2) und 3) an den Verhandlungen über den Kaufvertrag nicht beteiligt waren.
Bezüglich der Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) ist – wie sich auch dem Urteil des OLG Hamm entnehmen lässt – nach der Art des verhandlungsgegenständlichen Vertrages zu differenzieren. Der Verhandlungsabbruch ohne berechtigten Grund als haftungsbegründender Tatbestand ist lediglich für nicht formgebundene Verträge in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH v. 22.02.1989, VIII ZR 4/88, NJW-RR 1989, 627). Bei formgebundenen Verträgen ist nach der Rechtsprechung hingegen eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung erforderlich (vgl. BGH v. 29.03.1996, V ZR 332/94, NJW 1996, 1884). Diese Unterscheidung hat ihren Grund in dem Zweck der Formvorschrift (hier die „Warn- und Schutzfunktion“ des § 311b BGB) – wie auch das OLG Hamm in der vorliegend Entscheidung zutreffend hervorhebt.