KG 22 W 3/25
Zur Nichtigkeit einer missbräuchlichen Sitzwahl einer GmbH

15.09.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
27.02.2025
22 W 3/25
GmbHR 2025, 699

Leitsatz | KG 22 W 3/25

  1. Trotz der Regelung in § 4a GmbHG darf der Sitz einer GmbH nicht missbräuchlich gewählt werden, weil er ansonsten in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG als nichtig anzusehen ist. Eine Sitzwahl ist missbräuchlich, wenn sie dazu dient, Gläubiger abzuschütteln oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu verhindern.
  2. Diese Prüfung ist auch durch das Gericht des neuen Sitzes im Rahmen des § 13h Abs. 2 Satz 3 HGB durchzuführen.
  3. Bei einer aufgelösten Gesellschaft ist die Änderung des Sitzes zudem nach § 69 Abs. 1 GmbHG darauf zu prüfen, ob sie die Liquidation erleichtert oder jedenfalls nicht erschwert.

Sachverhalt | KG 22 W 3/25

Die Beteiligte, in deren Namen die Beschwerde mangels anderer Anhaltspunkte als eingelegt anzusehen ist, ist seit dem 24.05.2024 im Handelsregister Abteilung B des AG Friedberg (Hessen) eingetragen und befindet sich infolge eines rechtskräftigen Beschlusses des AG Darmstadts vom 24.10.2024 in Liquidation.

Mit einer notariellen Anmeldung vom 16.05.2024 wollte die Beteiligte die Eintragung eines erneuten Geschäftsführerwechsels und einer notariellen Satzungsänderung beantragen, welche den Sitz nach Berlin verlegen sollte. Das AG Charlottenburg beanstandete mit Verfügung vom 12.06.2024 unter anderem die Erläuterung der zahlreichen Sitzverlegungen innerhalb eines kurzen Zeitraums. Bereits am 01.10.2024 wurde darauf hingewiesen, dass nur eine liquidationsdienliche Sitzverlegung in Frage komme. Die Anmeldung bezüglich einer neuen Geschäftsanschrift wurde vom AG zurückgewiesen, aufgrund der nicht beseitigten Bedenken hinsichtlich einer missbräuchlichen Sitzverlegung.

Der daraufhin eingelegten Beschwerde wurde durch das AG nicht abgeholfen und dem Senat mit Beschluss vom 14.01.2025 vorgelegt. 

Entscheidung | KG 22 W 3/25

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das AG habe die Eintragung der Sitzverlegung zu Recht abgelehnt, denn der Satzungsänderungsbeschluss in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG sei als nichtig anzusehen. Dies beruht auf der Ansicht, dass ein missbräuchlich gewählter Sitz gegen Gläubigerinteresse verstoße und eine ordnungsgemäße Abwicklung der Gesellschaft verhindere.

Der Sitz einer Gesellschaft, der gem. § 4a GmbHG der Ort im Inland ist, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt, darf nicht missbräuchlich gewählt werden. Davon sei insbesondere dann auszugehen, wenn die Sitzverlegung dazu diene, Gläubiger abzuschütteln oder die Eröffnung oder Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu verhindern. Der Senat sieht hier einen Missbrauchsfall. Begründet wird dies zum einen dadurch, dass die Beteiligte, durch die erneute Sitzverlegung versuchte, eine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu umgehen. Durch eine unzutreffende inländische Anschrift verhindere Sie zugleich einen Gläubigerzugriff. 

Des Weiteren befand sich die Gesellschaft in der Liquidationsphase nach § 60 I Nr. 5 GmbHG, weshalb nur liquidationsförderliche Maßnahmen zulässig seien. Die Sitzverlegung scheitere an § 69 I GmbHG, da eine solche, in der Liquidationsphase nur dann als sinnvoll und zulässig anzusehen sei, sollte sie die Liquidation erleichtern oder jedenfalls nicht erschweren. Dies wäre vorliegend jedoch nicht der Fall.

Die Sitzverlegung sei nicht Liquidationsförderlich und es läge ein Missbrauchsfall vor, weshalb der Satzungsänderungsbeschluss als nichtig angesehen werden müsse. 
 

Praxishinweis | KG 22 W 3/25

Gibt es für den Berater Anzeichen, dass sich die Kapitalgesellschaft (AG, GmbH, UG, (Haftungsbeschränkt)) in der Krise befindet, so ist vor einer Satzungsänderung zur Sitzverlegung zu prüfen, ob durch diese Gläubigerinteressen berührt oder verletzt werden. In solchen Fällen wird künftig die Sitzverlegung ausscheiden.