OLG Celle 6 W 148/24
Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Erbeinsetzung des (künftigen) Ehegatten aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen der Ehescheidung und Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag

12.05.2025

Leitsatz | OLG Celle 6 W 148/24

  1. Die Vorschrift des § 2077 BGB ist auf einen vier Tage vor der geplanten Eheschließung zwischen den künftigen Ehegatten geschlossenen Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung entsprechend anwendbar.
  2. Eine im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren erfolgte Ankündigung einer Zustimmung zum beabsichtigen Ehescheidungsantrag des anderen Ehegatten kann im hier vorliegenden Fall als vorsorglich vorweg erklärte Verfahrenshandlung verstanden werden und genügt daher der Anforderung von § 2077 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Sachverhalt | OLG Celle 6 W 148/24

Der Erblasser war bis zu seinem Tod mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1 schlossen 2015 – vier Tage vor ihrer Hochzeit – einen Erbvertrag, in welchem sie sich u.a. gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. 2021 reichte die Beteiligte zu 1 einen Verfahrenskostenhilfeantrag und einen Scheidungsantrag ein. Der Erblasser erklärte im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren, dass er die Ehe ebenfalls für gescheitert halte und geschieden werden wolle. In der mündlichen Verhandlung zur Scheidungssache stellte er keine Anträge. Nach dem Tod des Erblassers beantragten beide Beteiligte unabhängig voneinander beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der die jeweilige Antragstellerin als Alleinerbin ausweisen sollte. Das Nachlassgericht wies den Antrag der Beteiligten zu 1 zurück und erteilte den Erbschein der Beteiligten zu 2. Dagegen wandte sich die Beteiligte zu 1 mit der Beschwerde vor dem OLG. 

Entscheidung | OLG Celle 6 W 148/24

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 

Das Gericht hält den Erbvertrag in entsprechender Anwendung von §§ 2077 Abs. 1 S. 1 und 2, 2279 BGB für unwirksam. Die Analogie ist notwendig, weil das Gesetz eine bestehende Ehe zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung voraussetzt, der Erbvertrag aber vier Tage vor der Eheschließung zustande kam. § 2077 BGB soll einer nachträglichen wesentlichen Veränderung der Beziehung der Vertragschließenden Rechnung tragen, indem der mutmaßliche Wille des Erblassers, nämlich die Nichtgeltung der Verfügung, gesetzlich angeordnet wird. Die vergleichbare Interessenlage ergebe sich daraus, dass der Erbvertrag in unmittelbarem sachlich-zeitlichem Zusammenhang zur Eheschließung stehe.

Die im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren abgegebene Erklärung des Erblassers, sich scheiden lassen zu wollen, ließ das Gericht für § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB (Ziff. 2 des Leitsatzes stellt fehlerhaft auf  Abs. 2 S. 2 ab) genügen, da sie als vorsorglich vorgenommene Prozesshandlung mit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags wirksam geworden sei und keine Interessen der Rechtspflege oder des Verfahrensgegners entgegenstünden. 

Mit derselben Argumentation ging der Senat vom Erlöschen des gesetzliche Ehegattenerbrechts, welches aufgrund des Wegfalls der letztwilligen Verfügung maßgeblich geworden war, nach § 1933 S. 1 BGB aus.

Praxishinweis | OLG Celle 6 W 148/24

Wird ein Ehevertrag zusammen mit einem Erbvertrag wenige Tage vor der standesamtlichen Eheschließung beurkundet, ist die Vorschrift des § 2077 BGB im Scheidungsfalls analog anzuwenden. Darüber sollten die Vertragsschließenden belehrt werden. Falls diese die Fortgeltung des Vertrags auch im Scheidungsfall wünschen, sollte eine entsprechende Klausel in die Urkunde aufgenommen werden.