OLG Celle 9 W 22/25
Zur Erforderlichkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers – Hannover 96

25.08.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
10.03.2025
9 W 22/25
GmbHR 2025, 526

Leitsatz | OLG Celle 9 W 22/25

  1. Ein nach § 29 BGB erforderlicher dringender Fall für die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers fehlt, wenn der satzungsgemäß für die Bestellung zuständige (fakultative) Aufsichtsrat der betroffenen Gesellschaft besetzt und in der Lage ist, einen Geschäftsführer zu bestellen; es ist nicht Aufgabe des Gerichts, Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft zu entscheiden.
  2. Ist ein satzungsgemäß für die Geschäftsführerbestellung zuständiger (fakultativer) Aufsichtsrat nicht willens oder in der Lage, einen Geschäftsführer zu bestellen, kann der Geschäftsführer durch einen Gesellschafterbeschluss bestellt werden (Anschluss an BGH v. 16.07.2024 – II ZR 71/23 Rz. 51 GmbHR 2024, 922 m. Anm. Wertenbruch).

Sachverhalt | OLG Celle 9 W 22/25

Die Beteiligte zu 1 ist die Kommanditaktionärin der H. GmbH & Co. KGaA (im Folgenden: H. KGaA), deren Komplementärin die betroffene H. GmbH ist. Die H. KGaA betreibt als Lizenznehmerin der Deutschen Fußball Liga GmbH eine Profifußballmannschaft. Der einzige Gesellschafter der H. GmbH ist der weitere Beteiligte zu 2, der H. e.V. Die Kommanditaktionärin und der H. e.V. sind durch einen schuldrechtlichen Vertrag verbunden, in dem sie ihre Zusammenarbeit in der H. KGaA und in der betroffenen Gesellschaft als deren Komplementärin geregelt haben. Im Februar 2025 hat die Kommanditaktionärin der KGaA beantragt, für die betroffene Gesellschaft einen Notgeschäftsführer einzusetzen. Sie macht geltend, die weiteren Beteiligten seien nach Abberufung des bisherigen Geschäftsführers nicht in der Lage, sich über die von ihnen entsandten Vertreter im (fakultativen) Aufsichtsrat der betroffenen Gesellschaft auf einen neuen Geschäftsführer zu verständigen. Nach ihrer Ansicht sei wegen der alsbald erforderlichen Einreichung von Lizenzierungsunterlagen ein Eilbedürfnis für die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers gegeben.

Das Registergericht hat den Antrag mit der Begründung der fehlenden Eilbedürftigkeit zurückgewiesen. Der Aufsichtsrat der betroffenen Gesellschaft sei besetzt und auch in der Lage, einen Geschäftsführer zu bestellen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kommanditaktionärin der H. KGaA.  

Entscheidung | OLG Celle 9 W 22/25

Das OLG Celle hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. 

Der Senat sieht die betroffene Gesellschaft auch bei fehlender Einigung des Aufsichtsrates ohne Eingreifen des Registergerichts in der Lage, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Diese kann durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss ihres Alleingesellschafters einen Geschäftsführer wirksam bestellen, wenn sich der für die Bestellung eigentlich nach dem Gesellschaftsvertrag zuständige Aufsichtsrat hierzu nicht willens oder in der Lage zeigt. Der Kommanditaktionärin der H. KGaA stehen als durch die Satzungsregelungen der betroffenen Gesellschaft begünstigte Nichtgesellschafterin keine gesellschaftsrechtlichen Mittel, wie die erstrebte Einsetzung eines Notgeschäftsführers durch das Registergericht zu. Sie muss ihre Ansprüche aus dem schuldrechtlichen Vertrag außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses gegen den Verein als Verpflichteten durchsetzen. 

Der H. e.V. als einziger Gesellschafter der H. GmbH ist auch willens von seiner Kompetenz zur Bestellung eines Geschäftsführers Gebrauch zu machen. Nach Auffassung des Senats ist es der Kommanditaktionärin zuzumuten, eine Entscheidung des Alleingesellschafters über den Umgang mit dem Konflikt der wirtschaftliche Beteiligten abzuwarten. Es ist nicht Sache des Registergerichts, den schuldrechtlichen Bindungen der Beteiligten durch entsprechende Notmaßnahmen Rechnung zu tragen. 

Praxishinweis | OLG Celle 9 W 22/25

Das GmbHG enthält zwar keine eigene Vorschrift zur Bestellung von Notgeschäftsführern, nach ganz h.M. kann das Registergericht allerdings einen Notgeschäftsführer analog § 29 BGB bestellen. Voraussetzung hierfür ist das Fehlen eines unentbehrlichen Geschäftsführers und das Vorliegen eines dringenden Falls der Bestellung. Das Erfordernis der Dringlichkeit muss schon deshalb vorliegen, weil die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers tief in Gesellschafts- bzw. Gesellschafterkompetenzen eingreift und ist daher eng auszulegen. Ein zerstrittenes Bestellungsorgan ist grundsätzlich kein dringender Fall der Bestellung. Hierbei ist entscheidend, ob die juristische Person durch eigene Maßnahmen den fehlenden Geschäftsführer nicht rechtzeitig ersetzen kann. In erster Linie sollte versucht werden, das Problem auf der Ebene der zuständigen Gesellschaftsorgane zu lösen (Dr. Thomas Heidel, GmbHR 2025, 528).