27.01.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
09.11.2023
IV R 9/21
GmbHStB 2024, 41 (Schimmele)
1. Im Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils sind neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern. Sie erhöhen den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Dies gilt auch für sog. Earn-Out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist die M GmbH, die am Vermögen der Klägerin nicht beteiligt ist. Alleinige Kommanditistin war die Beigeladene, die zugleich 100 % der Anteile an der M GmbH hielt. Diese Anteile waren dem Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen bei der Klägerin zugeordnet.
Die Beigeladene veräußerte im Oktober 2010 mit notariellem Vertrag ihren Kommanditanteil und ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. Der Kaufpreis setzte sich aus einem Festkaufpreis und einem variablen Kaufpreis zusammen, der an der Rohmargen-Entwicklung festgemacht wurde. Die variable Zahlung sollte bei Bedingungseintritt als eine nachträgliche Kaufpreiserhöhung gelten. In den Jahren nach der Veräußerung kann es somit zu weiteren Kaufpreiszahlungen, die von der Beigeladenen in den betreffenden Veranlagungszeiträumen als laufende Einkünfte erfasst wurden.
Das Finanzamt, als Beklagter und Revisionskläger, (FA) erließ einen erklärungsgemäßen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) für 2010. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§164 Abs. 1 AO). Das FA gelangte nach einer Außenprüfung zu der Auffassung, die auf Grundlage der Vereinbarung in den Jahren 2011–2013 geleisteten variablen Kaufpreiszahlungen („Earn-Out“) seien als nachträgliche Kaufpreiszahlungen gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO im Jahr der Veräußerung 2010 zu berücksichtigen. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die geleisteten „Earn-Out-Zahlungen“ seien Kaufpreisraten, die erst mit Zufluss realisiert würden.
Die gegen den Einspruch gerichtete Klage war in vollem Umfang erfolgreich. Hiergegen richtete sich die Revision des FA.
Der BFH wies die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurück. Das Finanzgericht habe die variablen Kaufpreisbestandteile zu Recht nicht bei der Ermittlung des im Jahr 2010 angefallenen Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigt.
Der BFH befand, dass die variablen Kaufpreisbestandteile als gewinnabhängige Kaufpreisforderungen anzusehen seien, da diese von den in den drei Jahren nach der Anteilsveräußerung von der Klägerin erzielten Rohmargen abhingen. Somit war das Entstehen der Kaufpreisforderungen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss. Diese Unsicherheit führe dazu, dass die variablen Kaufpreisbestandteile nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurückwirkten und genauso wie andere gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen zu behandeln seien.
Es seien keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen im Allgemeinen und sog. Earn-Out-Zahlungen im Besonderen zu erkennen. Aufgrund der Unsicherheit der Höhe der Zahlungen sei es gerechtfertigt, derartige Earn-Out-Zahlungen von der stichtagsbezogenen Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG auszunehmen.
Die Entstehung derartiger Kaufpreisbestandteile sei im Veräußerungszeitpunkt noch nicht „so gut wie sicher“. Die dem Grunde und der Höhe nach unsicheren „Earn-Out-Zahlungen“ seien demnach erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu besteuern.
Der BFH stellte klar, dass der Veräußerungsgewinn grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt entsteht, d.h. mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen, unabhängig davon, ob der Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist, und wann der Verkaufserlös tatsächlich zufließt. Der Veräußerungsgewinn sei regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Spätere Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Kaufpreis seien solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, wie der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe. Dies gelte unabhängig davon, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren, und auch für die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen.
Wenn die Gegenleistung bereits erbracht und die Anteilsveräußerung vollzogen sei, liege eine materiell-rechtliche Rückwirkung auf das abgeschlossene Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die spätere Zahlung im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt sei. Eine Ausnahme gelte bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sei in diesen Fällen auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Eine stichtagsbezogene Betrachtung werde in diesem Fall nicht vorgenommen, weil bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststehe, ob in einem der Folgejahre eine Kaufpreisforderung entsteht, noch, wie hoch diese sein werde.
Der BFH folgte diesen Grundsätzen und kam zu dem Ergebnis, dass die von der Beigeladenen in den Jahren 2011-2013 erhaltenen variablen Gelder den im Jahr 2010 erzielten Anteilsveräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht erhöht haben. Diese seien erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche gewerbliche Betriebseinnahmen zu versteuern gewesen.
Der BFH stellt seine Haltung zu „Earn-Out-Zahlungen“, deren Entstehen im Veräußerungszeitpunkt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist, klar. Offengelassen hat er, wie Zahlungen behandelt werden sollen, bei denen nur das Entstehen der Zahlung vom Erreichen einer im Kaufvertrag definierten Kennzahl mit Bezug zu Gewinn oder Umsatz abhängig ist, deren Höhe aber von Anfang an festgelegt ist. In der Beratungspraxis ist dies zu berücksichtigen.